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Kleidung und der mystische Körper: Von physischen Ankerpunkten unbeschreiblicher Erfahrungen

Abstract

Kleidung und Investitur, der Prozess des Einkleidens, spielen eine zentrale Rolle in der mittelhochdeutschen Literatur. In der mystischen Literatur liegt Kleidung am Seelenleib an und erscheint als zentraler Bestandteil der mystischen Erfahrung. Der vorliegende Aufsatz zeigt anhand der Schriften von Mechthild von Magdeburg, Friedrich Sunder, Heinrich Seuse, Elsbeth von Oye und Katharina Tucher, dass obwohl spezifische Imaginationen variieren, Kleidung die gleiche narrative Funktion einnimmt. So bringt sie die Seele näher zu Gott und dient als physischer Ankerpunkt, um die Unbeschreibbarkeit der mystischen Erfahrung fassbar zu machen.

I. Einleitung

Die mittelhochdeutschen MystikerFootnote1 bedienen sich vielfach Körpermetaphern,Footnote2 um ihre Gotteserfahrungen sowie ihre Erkenntnisse zu beschreiben und für den Rezipienten greifbarer zu machen. Der Leib wird dabei auf zwei Daseinsebenen projiziert, die physische und die geistlich-spirituelle. Der Blick auf diese beiden Körper und damit auch ihre Wahrnehmung wird zentral durch die Kleidung gesteuert, die ihn umschließt. Das Verstehen der Verwendung von Kleidung, die im Mittelalter inhärent mit der Identität einer Figur und ihren Eigenschaften verbunden ist, wird damit zum essentiellen Bestandteil, um den vollen Bedeutungsumfang eines mystischen Textes zu erfassen. Die vorliegende Untersuchung nimmt die spezifischen Funktionen in den Blick, die Kleidung, aber auch ihre Abwesenheit, in der mystischen Literatur einnimmt. Hierzu werden zunächst die Merkmale von Kleidung in der mittelhochdeutschen Literatur allgemein sowie gattungsspezifische Charakteristika der Kleiderbeschreibung innerhalb der höfischen und geistlichen Literatur betrachtet. Ausgehend von Mechthilds von Magdeburg Fließendem Licht werden die Funktion von Kleidung bei Friedrich Sunder, Heinrich Seuse, Elsbeth von Oye und Katharina Tucher betrachtet.Footnote3

Theoretische Vorüberlegungen

Der Körper der mystischen Literatur repräsentiert lediglich eine Referenz auf den natürlichen Körper der physischen Welt, da es sich bei literarischen Beschreibungen um eine Projektion der wirklichen Welt in den virtuellen Raum handelt.Footnote4 Daraus resultiert, dass literarisch dargestellte Körper, im Gegensatz zu natürlichen Körpern der realen Welt, zwangsläufig konstruiert sind.Footnote5 Diese Konstruktion von Körpern erzeugt Distanz zwischen realem und konstruiertem Körper.

Darüber hinaus besteht innerhalb der mystischen Literatur die Grundannahme, dass Körper und Seele jeweils einen eigenen Leib besitzen, wodurch zwei Daseinsebenen des literarischen-virtuellen sowie des realweltlichen Leibes geschaffen werden: Einerseits der eigentliche Körper, welcher den irdisch-realen Leib der physischen Welt als Referenzpunkt hat, und zum anderen der Seelenleib, welcher die Seele als eigene Instanz mit einer körperlichen Form imaginiert.Footnote6 Da nachfolgend die Darstellung von Körper und Kleidung in der Literatur untersucht wird, werden Aussagen über die realweltliche Ebene lediglich indirekt durch die Analyse der virtuellen Ebene getroffen. Fragen nach dem ontologischen Status von Körper und Kleidung beziehen sich dementsprechend auf die Daseinsebenen ‘physisch’ und ‘spirituell’ des virtuellen Raumes.

Jegliche Analyse, die den Körper in der mystischen Literatur und seine Beschaffenheit betrachtet, muss sich dementsprechend der Frage stellen, auf welche dieser beiden Körper Bezug genommen wird, da beide Körper mit komplementären Konnotationen versehen sind. Während der physische Körper sterblich und an die irdische Welt gebunden ist, ist der in der spirituellen Ebene erscheinende Seelenleib zur Vereinigung mit Gott befähigt. So muss der sündenbehaftete, physische Körper diszipliniert werden, um der Gotteserfahrung näherzukommen und kann sogar ein Hindernis für das Streben der Seele nach der unio-Erfahrung darstellen.Footnote7

Der physische Körper ist in der mittelalterlichen Vorstellung inhärent mit Sündhaftigkeit verknüpft, da dieser mit dem Sündenfall der Bibel assoziiert wird.Footnote8 Auf Unvollkommenheit und Schwäche des physischen Körpers wird vielfach mit einer strengen körperlichen Disziplinierung reagiert, deren Maßnahmen von Entsagung und Verzicht bis hin zur Selbstkasteiung reichen.Footnote9 Die Disziplinierung des ‘homo exterior’ erfolgt, um dem ‘homo interior’ eine freiere Entfaltung zu ermöglichen.Footnote10 Folglich ist nicht nur relevant, auf welchen Körper sich ein Autor bezieht, sondern auch in welchem Verhältnis beide Körper zueinander stehen.

Andererseits wird der physische Körper auch als Heimstätte der Seele wertgeschätzt, da die Seele ohne ihn nicht leben könnte.Footnote11 Außerdem kann er als ‘Meditationsgegenstand und Vermittler’Footnote12 dienen, denn der Besitz des physischen Körpers versetzt den Menschen in die Lage, das Leiden Christi nachzuempfinden. Die Brautmystik wiederum nutzt den physischen Körper als Referenz bei der Konstruktion des Seelenleibes, wodurch positive Aspekte von Körperlichkeit hervorgehoben werden.Footnote13

Insgesamt steht die Mystik somit in einem ambivalenten Verhältnis zum physischen Körper und Körperlichkeit, welches durch ein Spannungsverhältnis von der Notwendigkeit der physischen Existenz und der gleichzeitigen Loslösung von irdischen Empfindungen geprägt ist. Hierbei ist zentral, dass bei der Spaltung von Körper und Seele auch die Sinneswahrnehmungen gespalten werden. So werden physische Sinneswahrnehmungen als Bestandteil von physischer Welt und Körper verstanden, die nicht in der Lage sind, die metaphysische unio zu erfassen. Die Disziplinierung der physischen Sinne dient dabei zur Steigerung der geistlichen und spirituellen Erfahrung.Footnote14 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass dem Seelenleib keine irdischen Sinne zur Wahrnehmung Gottes zur Verfügung stehen.Footnote15 Die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Seelenleibes werden als ‘innere Sinne’ beschrieben, eine Bezeichnung, die auf Origenes zurückgeht und auch von Augustinus rezipiert wird.Footnote16 Sie stehen, wie Seelenleib und physischer Körper, in Opposition zu den physischen, äußeren Sinnen, werden jedoch in der mystischen Literatur selbst nicht näher erläutert.Footnote17 Damit entzieht sich die unio-Erfahrung zumindest teilweise der sprachlichen Fassbarkeit, wodurch auf die spirituelle Überschreitung der Liminalität innerhalb des unio-Erlebnisses sowie die Unbeschreiblichkeit Gottes verwiesen wird.

Körper und Seelenleib sind auch dem gender-Diskurs unterworfen. So wird Gott in seiner Allmacht als männlich imaginiert, während die Seele unabhängig vom Geschlecht des Mystikers meist weiblich ist.Footnote18 Die Seele übernimmt im Angesicht Gottes weiblich codierte Charakterzüge, indem sie eine passiv-empfangende Rolle gegenüber Gott einnimmt.Footnote19 Auch das Streben nach Gott wird mitunter mit Weiblichkeit assoziiert, wohingegen Männlichkeit in Assoziation mit Weltlichkeit steht.Footnote20 Zentral für die Imagination der Seele als weiblich ist jedoch die unio selbst. Der realweltliche gender-Diskurs reguliert selbst die Mystik in einem Ausmaß, dass der Vollzug der Vereinigung mit dem männlich codierten Gott nur mit einer weiblichen Seele geschehen kann.Footnote21 Die Brautmystik stellt damit eine inhärente Verknüpfung von sexuell-physischer Ebene und der geistlich-spirituellen Ebene her.

Während die Weiblichkeit der Seele zur Voraussetzung der unio wird, verweist sie jedoch auch auf die Opposition, die zwischen ihr und dem männlich imaginierten Gott besteht. So offerieren Mystikerinnen eine weibliche Sicht auf den religiösen Diskurs, wobei sie gleichzeitig ihre Differenz zu Gott betonen, während es männlichen Mystikern aufgrund ihres Geschlechts möglich ist, Gott zu imitieren und sich mit ihm zu identifizieren.Footnote22 Da die Geschlechterzuweisung von Seelen männlicher Mystiker unbestimmt ist und sie ihre Seele sowohl als weiblich als auch als männlich imaginieren können, wird die Darstellung des Geschlechtes der Seele zum poetologischen Instrument erhoben. Dieses kann genutzt werden, um dem Mystiker die imitatio verschiedener Rollen zu ermöglichen, die Differenz von männlichem Körper und weiblicher Seele zu betonen oder auch um ein spezifisches Publikum anzusprechen.Footnote23

Die unio-Erfahrung stellt darüber hinaus ein zutiefst individuelles Erlebnis dar.Footnote24 Indem Gott die unio mit einer Seele vollzieht, zeichnet er diese als besonders und von gewöhnlichen Seelen verschieden aus. So empfindet jeder Mystiker die Vereinigung mit Gott auf unterschiedliche Weise und beschreibt sie mit anderen Metaphern und Allegorien.

Die Kleidung einer Figur ist in der mittelhochdeutschen Literatur ein maßgebliches Element zum Verständnis derselben. Die Investitur, das Einkleiden des Körpers mit bedeutungstragenden Symbolen, wird als integraler Bestandteil der Identität einer Figur verstanden.Footnote25 Nach dem Prinzip der Kalokagathia stimmen äußere Schönheit und innere Wertigkeit einer Figur überein, wodurch Kleidung darüber hinaus zu einem Indikator von sozialem Status und Integrität einer Figur wird.Footnote26 So wird vor allem in höfischen Romanen über die Beschaffenheit von Kleidung die Hierarchie gesellschaftlicher Strukturen artikuliert.Footnote27

Vielfach wird im Christentum übermäßiger Prunk kritisiert, wobei das verbreitete Konzept der Kalokagathia negiert wird.Footnote28 Schmuck und teure Kleidung werden als lasterhaft oder Quelle potenzieller Verführung wahrgenommen, da sie nicht dem christlichen Demutsideal entsprechen.Footnote29 Durch die Forderung der Kirche nach innerer und äußerer Demut wird jedoch erneut Kongruenz zwischen innerer Gesinnung und äußerer Erscheinung hergestellt und damit eine christliche Variation der Kalokagathia geschaffen, die deren ursprüngliche Form als Referenzpunkt nutzt.

Die Weigerung, dem Prinzip der Kalokagathia zu folgen, mündet jedoch unweigerlich in einer deutlich gesteigerten Arbitrarität der Bedeutung von Kleidung, da das Gebot von innerer und äußerer Demut weit weniger spezifisch ist als die höfische Form der Kalokagathia. Darüber hinaus findet das Prunkverbot keine universelle Anwendung, so sind Priester beispielsweise davon ausgenommen, während körperlicher Schmuck besonders bei Frauen kategorisch abgelehnt wurde.Footnote30

Auch verweist Kleidung auf das Geschlecht einer Figur. Dies führt besonders bei der Beschreibung weiblicher Figuren zu einer Hervorhebung erotischer Aspekte.Footnote31 Die metonymische Beschreibung der am Körper anliegenden Kleidung anstelle des Körpers selbst, stellt dabei eine sprachliche Vermeidungsstrategie dar, um den mit Sünde verbundenen physischen und den jenseits des Beschreibbaren liegenden seelischen Körper auszusparen. Allerdings schafft diese Vermeidung eine Hervorhebung des Körpers, indem dieser deutlich markiert, aber nicht näher ausgeführt wird. Damit befindet sich Kleidung in der ontologisch paradoxen Position, dass sie das, was sie zu verhüllen versucht, gleichzeitig auch enthüllt.Footnote32

Die sprachliche Vermeidung der Beschreibung von Körpern, referiert auf die im Mittelalter omnipräsente Schamkultur, die in der Verbindung von Nacktheit und Scham im Sündenfall begründet liegt.Footnote33 Nacktheit in mittelhochdeutscher Literatur wird somit zum Ausdruck eines defizitären Zustandes. Hierbei wird aufgrund des latent bestehenden Kalokagathie-Prinzips nicht nur der Körper, sondern auch die Identität der Figur als unvollständig wahrgenommen.Footnote34 Gleichzeitig ist Nacktheit ein Indikator für Verletzlichkeit und Intimität, da die schützende Schicht der Kleidung entfernt wurde. Darüber hinaus wird Sexualität, die als Ausdruck der Ursünde gilt und somit auch auf mit dem Bruch der Minnebande zwischen Gott und der Seele referiert, im Christentum tabuisiert.Footnote35

Betrachtet man nun die Kleidung in mystischen Texten, so wird deutlich, warum die zuvor getroffene Unterscheidung des physischen Körpers und Seelenleibes so zentral für die vorliegende Analyse ist. Abhängig davon welchen der beiden ‘Körper’ ein Mystiker in seinem Werk einkleidet, verändert sich der Deutungsrahmen, in dem ein Kleidungsstück betrachtet werden muss. Augustinus geht sogar so weit, die verschiedenen Körper mit einer Kleidermetaphorik zu überblenden: ‘[So] erhält der gläubige Christ in der Taufe eine Anleihe auf den Auferstehungsleib, der, wie der paradiesische und der irdische Leib, wiederum als Gewand symbolisiert wird.’Footnote36

Die Beschreibung von Kleidung ist Teil der mystischen Tradition.Footnote37 Sie dient vor allem in Verbindung mit der Brautmystik zur Beschreibung der unio-Erfahrung, da sie ein eigentlich unbeschreibliches, unfassbares Erlebnis in eine Metapher und somit imaginativ fassbar macht.Footnote38 Die Kleiderallegorese entfaltet dabei eine besondere Wirkkraft in volkssprachlichen Texten, da die Bildlichkeit sehr nah am Alltagsleben der Menschen angesiedelt ist.Footnote39

Neben der Betrachtung von Kleidung als Metapher kann diese jedoch auch als Reflexion auf die Sprache selbst verstanden werden, da sie durch ihre Darstellungs- und Ausdrucksfunktion ähnliche funktionale Merkmale aufweist wie auch Sprache selbst.Footnote40 Sie kann einen Tatbestand ebenso offenbaren oder verbergen, wie Kleidung die Identität ihres Trägers offenlegt oder maskiert.

II. Kleidung und der mystische Körper

Mechthild von Magdeburg: Kleidung als äußerer Schmuck

Verweise auf Kleidung finden sich bei der Begine Mechthild in mehreren Kapiteln des ab 1250 verfassten Fließenden Lichts.Footnote41 Am prominentesten ist jedoch ihre Erscheinung in Kapitel 44 des ersten Buchs. Hierbei wird die Figur dazu aufgefordert, sich einzukleiden.Footnote42 Die darauffolgende Investitur erfolgt in drei Schritten. Direkt auf der Haut wird ein Hemd der Demut getragen, darüber ein weißes Kleid der Keuschheit und abschließend ein tugendgeschmückter Mantel.Footnote43 Die genannten Kleidungsstücke selbst entsprechen dabei den Beschreibungen höfischer Kleidung.Footnote44 Allerdings wird jedem Kleidungsstück darüber hinaus eine Tugend zugeordnet, wodurch die spirituelle und physische Ebene durch die Kleidermetaphorik miteinander verwoben werden. Das körpernächste Hemd ist mit dem Kern der christlich-demütigen Grundhaltung verbunden, die, wie die Erzählerinstanz anmerkt, nicht von der Haut getrennt sein darf. Hierdurch wird metaphorisch die Untrennbarkeit des Christen und seiner demütigen Gesinnung dargestellt. Das weiße Überkleid eröffnet Assoziationen nicht nur zur explizit genannten Keuschheit, sondern auch zur Offenbarung der Liebe.Footnote45 Die äußerste Schicht ist ein Mantel, der durch die Tugenden der Figur vergoldet wurde und diese nach außen hin schmückt. In der Investitur des christlichen Körpers wird damit eine Hierarchie christlicher Tugenden illustriert, wobei nach christlichem Ideal die unterliegenden, verborgenen Tugenden als körpernah imaginiert und damit als am Wertvollsten verstanden werden. Äußerer Schmuck, wie der tugendvergoldete Mantel, dient auf der Bildebene als zusätzlicher Schutz, der allegorisch als Schutz vor sündhaften Verführungen ausgelegt werden kann. Da der Mantel nicht notwendig ist, um den Körper zu bedecken, erscheint er als untergeordnet im Vergleich zu den anderen Kleidungsstücken. Auch unterstreicht er die Schönheit, welche allegorisch mit Tugendhaftigkeit verbunden wird und damit in Opposition zur Assoziation von Schmuck und Verführung am physischen Leib steht.Footnote46

Gleichzeitig ist die beschriebene Kleidung die einer höfischen Dame und legt den Körper damit auf den weiblichen Diskurs fest. Durch diese Verbindung von Frauenkleidern und christlichen Tugenden wird eine weibliche Interpretation christlicher Normen angeboten. Dabei ist, neben der weiblichen Handschrift Mechthilds, auch anzunehmen, dass das Fließende Licht und seine sprachliche Gestaltung sich vorwiegend an Frauen als Zielgruppe richtete.Footnote47

Gleichsam der Investitur im weltlich-politischen Kontext stellt die Kleidung ein Teil der Identität des beschriebenen Körpers dar, da der christliche Glaube ohne seine Tugenden als defizitär erscheinen würde. Dieser Sachverhalt verursacht jedoch narrative Verwerfungen, sobald Gott die Frau auffordert, sich auszuziehen, denn das Entkleiden kommt einer Devestitur gleich und resultiert damit in einer defizitären Identität.Footnote48 Dieser Bruch wird durch den Verweis darauf, es handele sich um auswendig gelernte, irdische Tugenden, die im Angesicht Gottes belanglos sind sowie die Tatsache, dass die Frau natürliche, nicht ablegbare Tugenden besitzt, abgemildert, jedoch nicht vollkommen redigiert.Footnote49 So wird in dieser Szene eine Kollision höfischer und geistlicher Ideale deutlich, die narrativ nicht vollständig bewältigt wird.

Die Überblendung von Kleidung und Identität findet sich auch im zweiten Kapitel des fünften Buches: ‘Du [Gott] kleidest dich mit der sele min / und du bist ovch ir nehstes cleit.’Footnote50 Gott und die Seele kleiden sich hier gegenseitig ein, wodurch nicht nur eine größtmögliche Nähe ohne abschließende Vereinigung imaginiert wird, sondern, indem der eine Körper den anderen bekleidet, dieser zum Bestandteil der Identität des anderen wird.Footnote51

Ob die beschriebene Kleidung allerdings ein hybrides Konstrukt aus materiellen Textilien und immateriellen christlichen Tugenden ist, oder ob die physische Materialität der Kleidung lediglich imaginiert ist und als Anker und Referenzpunkt zur diesseitigen Welt des realen und virtuellen Raumes dient, ist vom ontologischen Status des beschriebenen Körpers abhängig. Zentral zur Beantwortung dieser Frage sind die physischen Sinne, die an den physisch-irdischen Körper gebunden sind und im Verlauf des Kapitels immer wieder erwähnt werden. Sie sind es, die die Frau dazu auffordern sich anzuziehen und nachfolgend versuchen die unio zu verhindern, da sie dieser nicht beiwohnen können.Footnote52 Sie zielen damit darauf ab, den beschriebenen Körper an das Irdische zu binden, jedoch zeigt bereits die Externalisierung der Sinne als vom beschriebenen Körper losgelöste ‘kamerere’Footnote53, dass der beschriebene Körper von den physischen Sinnen distanziert ist.

Da Raum und Körper in Kongruenz zueinander stehen müssen, gibt auch die räumliche Umgebung Aufschluss über den ontologischen Status des Körpers. Betrachtet man diesen, wird deutlich, dass hier ebenfalls Referenzen aus der real-irdischen Welt als Ankerpunkte gewählt wurden, um den virtuellen Raum zu imaginieren. So stellt der ‘walt der gesellschaft heiliger lúte[]’Footnote54 eine Kombination von diesseitigen und jenseitigen Bezugspunkten dar. Die Nachtigall, die Tag und Nacht singt, verleiht dem Raum etwas Absolutes, indem sie jegliche zeitliche Dimension ausschaltet, und erzeugt damit eine anderweltliche Atmosphäre. Dieser Effekt wird durch die anderen Vögel, welche die Stimmen der Heiligen tragen, verstärkt.Footnote55 So wird hier zwar eine bildliche Beziehung zur realen Welt hergestellt, die konkrete Gestaltung des beschriebenen Raumes verweist jedoch erneut auf die Distanz zwischen dem beschriebenen Geschehen und der Realität.

Sprachlich findet somit keine strikte Trennung von physischem und spirituellem Raum sowie physischem und spirituellem Körper statt, da die Realität immer wieder als Bezugspunkt zur Imagination und Illustration herangezogen wird.Footnote56 Aus dieser semipermeablen Struktur folgt, dass Emotionen, wie die Liebe zu Gott, beide Körper ergreifen können.Footnote57 Jedoch wird gleichzeitig auch deutlich, dass es sich bei den realweltlichen Anleihen lediglich um einen sprachlichen und gedanklichen Bezugspunkt handelt und keine tatsächliche Hybridität im Sinne einer geteilten Materialität besteht. Die sprachliche Beschreibung verweist damit nur oberflächlich auf die physische Ebene und der beschriebene Körper kann folglich als Seelenleib verstanden werden. Die Frage nach dem ontologischen Status des Körpers wird eindeutig geklärt, als Gott die Frau mit ‘sele’Footnote58 anspricht. War der ontologische Status des beschriebenen Körpers zuvor kontingent, da er lediglich indirekt und mit schwankenden Bildspendebereichen bestimmt wurde, legt Gottes Wort ihn durch den performativen Akt des Sprechens auf den spirituellen Körper fest.

Deutlich wird die Tatsache, dass es sich in Kapitel 44 um einen Seelenleib und dessen Kleidung handeln muss, auch an der positiven Darstellung der schmückenden Kleidung. Prunk und Schmuck am physischen Körper werden als potenzielle Verführung zum Teufel verstanden und dementsprechend negativ dargestellt.Footnote59 Für die Kleidung des physischen und des seelischen Körpers werden somit verschiedene Wertmaßstäbe angelegt. Während prunkvolle Kleidung am Seelenkörper als erstrebenswert erscheint, da sie das Vorhandensein christlicher Tugenden reflektiert, ist der physische Körper inhärent mit Sünde und dem irdischen Leben verbunden, wodurch vornehme Kleidung an ihm als lasterhaft gedeutet wird. Für den Seelenleib kann dadurch mit Leichtigkeit auf höfische Deutungsmuster und Bildsprache zurückgegriffen werden, da das Konzept der Kalokagathia wieder nutzbar gemacht wurde.

Bevor die unio vollzogen wird, fordert Gott die Seele auf, die Heiligen nachzuahmen, diese lehnt jedoch ab und fordert die direkte Interaktion mit Gott.Footnote60 Die Distanz zwischen Gott und der Seele wird daraufhin immer weiter reduziert, bis Gott diese auffordert, sich auszuziehen: ‘“Ir soent úch usziehen!” […] ‘Frovw sele, ir sint so sere genatúrt in mich, das zwúschent úch und mir nihtes nit mag sein. […]’”.Footnote61 Die Kleidung, sowie alle gesellschaftlich erworbenen Tugenden und Verhaltensweisen, welche durch die Kleidung repräsentiert werden, müssen somit im Angesicht Gottes weichen, sodass die Seele nackt und entblößt vor Gott steht.Footnote62 Das Entkleiden verringert dabei nicht nur die als physisch imaginierte spirituelle Distanz zu Gott, sondern leitet auch auf die unio hin, welche als größtmögliche Nähe zu Gott verstanden wird und bei der Kleidung, die einen irdischen Referenzpunkt besitzt, nicht präsent sein kann.Footnote63

Paradoxerweise stellt das Entkleiden gleichzeitig auch Distanz her, da die Diskrepanz zwischen der ‘nakent sele’Footnote64 und dem ‘wolgezieret got’Footnote65 hierdurch umso deutlicher erscheint. Zwar ist an dieser Stelle nicht eindeutig zu bestimmen, ob die körperliche Projektion Gottes selbst so schön ist, dass sie von der Seele als Zierde interpretiert wird, oder ob er schmückende Kleidung trägt, jedoch wird die hierarchische Diskrepanz durch die Körperzeichen vermittelt und verweist so nicht nur auf die zeitliche Begrenzung der unio, sondern, darauf aufbauend, auch auf die Unmöglichkeit eines vollständigen Aufgehens ineinander.Footnote66 Köbele spricht in diesem Zusammenhang von einer ‘Integration der geschiedenen Bereiche[]’.Footnote67

Auch inhaltlich und strukturell zeigen sich narratologische Dissonanzen. So werden Assoziationen zum Tagelied hergestellt, die besonders durch die heimliche, leidenschaftliche, sowie zeitlich begrenzte Vereinigung abgerufen werden.Footnote68 Darüber hinaus handelt es sich um die spirituelle Vermählung und Vereinigung mit Gott. Während die eröffnete Assoziation zum Tagelied einen irdischen Bezugspunkt darstellt und auf die Verborgenheit und zeitliche Begrenztheit der unio-Erfahrung verweist, betont die Brautmetaphorik den religiösen Aspekt und Glaubensakt, welcher in ihr vollzogen wird. Gemeinsam ist beiden Bildspendebereichen, dass sie wie auch die Kleidermetaphorik eine erotische Grundstimmung vermitteln.Footnote69

Friedrich Sunder: Kleidung als unio

Auch Friedrich Sunder, der im frühen 14. Jahrhundert im Dominikanerinnenkloster Engelthal lebte, spricht im Kapitel Gnadenverkehr der Seele mit den drei göttlichen Personen und mit Maria seines autobiographischen Gnaden-Lebens über die Vereinigung der Seele mit Gott.Footnote70 Hierbei wird erneut eine konzeptuelle Trennung von Seele und Körper vollzogen, wobei die Seele als weiblich, der irdische Körper jedoch als männlich angesprochen wird. Die weibliche Seele wird genutzt, um die Differenz zwischen ihr, der ‘arme gocz dirne’Footnote71, und Gott zu verdeutlichen sowie die nachfolgende unio zu ermöglichen.Footnote72 Durch die Konstruktion von Gott als gebender und der Seele als empfangender Instanz wird die Geschlechterzuschreibung zusätzlich verdeutlicht.

Im Gegensatz zu Mechthild findet sich bei Sunder keine detaillierte Beschreibung der äußeren Beschaffenheit des Seelenkörpers. Der Verweis darauf, dass Gott die Seele mit seinen Armen umfängt, zeigt jedoch, dass sich auch Sunders spiritueller Raum in Referenz zur realen Welt entwickelt und die Seele in einer körperlichen Form imaginiert wird. So umschließen sich Seele und Gott gegenseitig.Footnote73 Die Verweise auf eine explizite Körperlichkeit von Gott und der Seele sind allerdings selten, wodurch kein konsistenter spiritueller Raum entsteht, sondern sich die beschriebene Szene weitestgehend vor einem unbeschriebenen, leeren Raum abspielt. Damit erzählt Sunder, die Unbeschreibbarkeit der spirituellen Ebene in seiner sprachlichen Aussparung dieser.

Die Sprache des Kapitels mutet im Vergleich zu Mechthilds elaborierter Beschreibung geradezu hölzern an: ‘Da nam er [Gott] sie [die Seele] vnd truckt sie an sich minneklich, vnd sie vmb vieng jn liplich.’Footnote74 Die Begegnung mit Gott ist insgesamt deutlich weniger sexuell aufgeladen als bei Mechthild. Lediglich die von Gott gebrauchte, wiederholte Metaphorik des Gebens, welche in enger Assoziation mit dem Erfüllen der Seele aufkommt, zeigt ein schwaches Abbild von Mechthilds intensiver Leidenschaft.Footnote75 Sunder schafft allerdings auch eine neue Metaphorik des Erfüllens, indem Gott die Seele speisen möchte und findet damit ein Bild für die unio, das nur indirekt sexuelle Implikationen enthält.Footnote76 Gleichzeitig verdeutlicht das Speisen der Seele deren passive, empfangende Rolle sowie den Mund als Organ des Übergangs von äußeren Reizen zu innerer Identität.Footnote77 Kleidung und Speise agieren damit auf zwei verschiedenen Ebenen, sind einander jedoch funktional parallelgeschaltet.

Auch kommt es zunächst nicht zur unio. Gott schickt die Seele zurück und fordert den männlichen, physischen Körper auf, sich auf die Vereinigung vorzubereiten.Footnote78 Die unio selbst will er allerdings, gleichsam dem Gott bei Mechthild, nur mit der Seele vollziehen. Bleibt auch hier explizit sexuelles Vokabular ausgeklammert, so umschreibt Sunder die unio in zwei Schritten: zunächst als Speisung der Seele, dann als deren Kleid.Footnote79 So wird die Seele von innen heraus mit Gott erfüllt, was eine eindeutig sexuelle, penetrative Konnotation beinhaltet, und schließlich von außen mit Gott eingekleidet. Die Seele verschwindet hierbei vollkommen in Gott und wird ein Teil von ihm. Damit gleicht Sunders Schilderung der unio formal der von Mechthild. Allerdings wird sie mit einem anderen Bildspendebereich illustriert.

Indem Gott Sunder einkleidet, wird seine Seele in der Vereinigung gottesgleich: ‘Vnd da daz geschach, da klaidet er sie da mit siner gothait, […] vnd macht ain gotten vß ir’.Footnote80 Dementsprechend ist die Seele nach ihrer Vereinigung mit Gott als ein Teil von Gott und Gott hierarchisch beigeordnet, nicht aber untergeordnet.Footnote81 Interessant ist ebenfalls, dass die Identität Gottes auf die Seele übergeht, sobald diese Gott als Kleidung trägt. Hierbei zeigt sich, dass das Prinzip der Investitur auch in der spirituellen Sphäre in seiner gewohnten Funktion Anwendung findet, da die Kleidung der Seele Einfluss auf den Status ihrer Identität nimmt. Das Verhältnis von Gott und Seele ist bei Sunder somit deutlich verschieden von der Beschreibung Mechthilds, da sogar Gott selbst die Besonderheit des Menschseins und seine Zuneigung zu den Menschen hervorhebt und dabei die vergleichsweise starke Positionierung der Seele gegenüber Gott verdeutlicht.Footnote82

Im Kapitel Fünf Betrachtungen vor dem Kreuz reflektiert der Sprecher über das Nacktsein des gekreuzigten Jesus im Vergleich zur moralischen Blöße der Menschheit.Footnote83 Beide Konzepte erscheinen als komplementär. So wirkt die Nacktheit bei Jesus unschuldig und rein, während die Menschen äußerlich bekleidet sind, aber innerlich entblößt, da sie keine Tugend besitzen.Footnote84 Hierbei wird erneut deutlich, dass Scham und Kleidung diskursiv verschieden reguliert werden, abhängig davon, ob sich die Figuren im irdischen oder spirituellen Raum befinden.

Heinrich Seuse: Kleidung als (Selbst-)Disziplinierung

Im Gegensatz zur Einkleidung des Seelenleibes bei Mechthild beschreibt Seuse, der wie auch Sunder Dominikaner zu Beginn des 14. Jahrhunderts war, die Kleidung des irdischen Körpers.Footnote85 Diese geht dabei weit über eine demütige, enthaltsame Lebensweise hinaus und in den Bereich der Selbstkasteiung und des Leidens hinein. So besitzt die Figur kein ‘betgewand’ (HS/SL, 44), sondern verbringt Tag und Nacht in derselben Kleidung und geht schlafen, ohne sich die Schuhe auszuziehen. Das Hemd, das bei Mechthild als zartes Gewand anmutet, verwundet in Seuses Werk den Körper, da es mit Nägeln besetzt ist. Auch Schuhe und Mantel schützen und wärmen den Körper nicht, sondern führen zu körperlichem Leid und Verwahrlosung (HS/SL, 45).Footnote86 Die Kleidung wird damit zum körperverletzenden Instrument und liegt somit nicht nur als äußere, identitätsbeeinflussende Schicht außen auf dem Körper an, sondern durchbricht die äußere Ebene der Haut und verbindet sich mit ihr.Footnote87 Die Kleidung und das mit ihr verbundene Leid gehen nachfolgend auf den Körper über, wobei die Tatsache, dass die Kleidung niemals abgelegt wird, auf die untrennbare Verbindung zwischen Körper und Kleidung verweist. Die identitätsstiftende Funktion von Kleidung wird damit nicht nur ideell, sondern auch physisch imaginiert.

Nachfolgend wird das Fasten als zusätzliche Methode der Enthaltsamkeit beschrieben.Footnote88 Hierbei zeigt sich, wie auch bei Sunder, eine unmittelbare Verbindung zwischen der Kleidung als äußerem Identitätsmerkmal und Nahrung als Beeinflussung des Inneren. In Opposition zu Sunder, der die von Gott gespeiste und vollständig erfüllte Seele beschreibt, entkräftet Seuse den physischen Körper mit Nahrungsentzug und ergänzt damit die äußerliche Selbstkasteiung der Kleidung. So entwickelt er ebenfalls eine Kongruenz von innen und außen, die, erneut, in Opposition zur spirituellen Ebene gestaltet ist, und versucht den Körper und damit gleichsam dessen Identität von beiden Seiten zu formen.

Auch bei Seuse wird zwischen Seele und physischem Leib unterschieden. So beschreibt er die Seele als ‘inneren menschen’.Footnote89 Hierbei ist die Schönheit der Seele Ausdruck christlicher Tugend, während die Entstellung des physischen Körpers für den Glauben die Schönheit der Seele sogar noch steigert.Footnote90 Mehrfach wird Gott aufgefordert, die Seele einzukleiden.Footnote91 Diese Einkleidung entspricht dabei einer Variation der auch bei Mechthild und Sunder beobachtbaren Identitätsübertragung von Gott auf die Seele. Stärker als bei den zuvor betrachteten Mystikern zeigt sich dabei der Aspekt der Machtausübung durch das Einkleiden der Seele. So soll das Einkleiden die Seele ‘leiten’Footnote92 und nach Gottes Willen formen.Footnote93 Die Hingabe zu Gott geht damit mit einem Individualitätsverlust sowie der Aufgabe von Eigenbestimmung einher, einem Aspekt, der weder bei Mechthild noch bei Sunder explizit angesprochen wird. Somit wird ein deutlich passives, demütiges Bild der seelischen Identität gezeichnet, wohingegen Mechthilds Imagination das Bild einer aktiven Braut Gottes zeigt.Footnote94

Die Nacktheit Jesu wird als Hilflosigkeit und Tiefpunkt dargestellt und steht damit in Übereinstimmung mit der höfischen Erzähltradition.Footnote95 Gleichzeitig findet sich jedoch, wie auch bei Sunder, der Verweis auf die metaphorische Nacktheit, die einen Mangel an Tugend darstellt, sowie die Möglichkeit, dem nackten Christus als nackte Seele nachzufolgen.Footnote96 In letzterem zeigt sich ebenfalls die Aufgabe von Eigenbestimmung sowie die Vorstellung, dass der Mensch durch seine Leidensfähigkeit im Besonderen zur Nachfolge Christi befähigt ist.

Elsbeth von Oye: Kleidung als Instrument zur Nachfolge Gottes

Die Dominikanerin Elsbeth von Oye hält ihre mystischen Erfahrungen in einem Tagebuch fest.Footnote97 Hierbei beschreibt sie in Kapitel V, wie man das Leiden Jesu als Mensch nachvollziehen kann, wobei erneut der Aspekt der menschlichen Befähigung zur Nachfolge Christi aufgegriffen wird, der auch bei Seuse präsent ist. Um die Nachfolge Christi zu erreichen, soll der Mensch ebenso wie Jesus am Kreuz hängen.Footnote98 Allerdings kann nicht abschließend entschieden werden, auf welchen Körper sich diese Kreuzigung bezieht, da einerseits Bezug auf die physische Leidensfähigkeit des Menschen genommen wird, das Gespräch mit Gott andererseits jedoch auf eine Begegnung im spirituellen Raum verweist. Diese Ambiguität der Verweise wird innerhalb des Kapitels nicht vollständig aufgelöst. Die Anmerkung, dass Gott ‘nit leiplich’Footnote99 liebt, weist jedoch auf eine seelische Begegnung mit Gott hin, über welche nachfolgend von der physischen Figur reflektiert wird.

Mit der Festlegung der Gotteserfahrung auf die spirituelle Ebene gleicht Elsbeths Ansatz den zuvor bei Mechthild wie auch Sunder und Seuse beobachteten theoretischen Grundannahmen. Ihre Trennung beider Ebenen ist jedoch nur implizit und durch die parallele Beschreibung von geistlichem Erleben und physischer Reflektion des Erlebten durchmischt. Darüber hinaus scheint die gekreuzigte Seele befähigt zu sein, Schmerz zu empfinden, wodurch sie in direkte Assoziation mit dem leidensfähigen physischen Körper gestellt wird. Somit wird eine sehr viel engere Verbindung von physischem und seelischem Erleben deutlich, als dies bei den zuvor betrachteten Texten der Fall war.

Kleidung bei Elsbeth bestimmt über die Einflussnahme auf die Identität der Figur deren Schicksal: ‘Ich hab dir nit minicklicher noch günlicher kleid zu gebene denne ein geleicheit meines eingebornen suns’.Footnote100 So kleidet Gott die Seele mit dem Kleid Jesu, damit diese sein Schicksal teilen und sein Leid am eigenen Körper nachvollziehen kann. Die Kleidung unterstützt damit nicht, wie bei Mechthild, die individuellen Eigenschaften der Seele, sondern scheint die Seele viel eher zu verkleiden, um eine Nachfolge Jesu zu ermöglichen. Hierbei verschmelzen zwei bereits zuvor aufgegriffene Aspekte. Einerseits das Leid als notwendiger Bestandteil, um Gott näherzukommen, und andererseits das Übergehen von Teilen der Identität Gottes auf die Seele durch den Prozess des Einkleidens.Footnote101

Die Beschreibung des Kleidungsstückes als ‘minnicklich[]’Footnote102 und ‘günlich[]’Footnote103 zeigt dabei, dass es sich, trotz des Leidens, welches das Nachempfinden von Jesus Schicksal mit sich bringt, um ein positives Kleidungsstück handelt. So verweist ‘günlich’Footnote104 auf die äußere Herrlichkeit der Kleidung, während ‘minnicklich’ Gottes Zuwendung betont, die ihrer Eigenschaft als Emotion gemäß nach innen gerichtet ist.Footnote105 Dabei dient Gottes Liebe, die über die Kleidung Teil der Identität und damit der Figur selbst wird, auch als Zugangspunkt zum Verständnis Gottes und der Nachfolge Christi: ‘Als miniklich ich dir bin, als leicht wirt dir der begreiffe meines tödlichen smerczen. Als peinlichen der begreif ist, als feurende wirt dein prunst.’.Footnote106 Liebe und Leid werden damit in der Imagination von Kleidung amalgamiert, wobei die komplementären Pole zur Überblendung gebracht werden.Footnote107

Katharina Tucher: Kleidung als Identität

Katharina Tucher, die mitte des 15. Jahrhunderts als Laienschwester im Nürnberger Katherinenkloster lebte und deren mystische Aufzeichnungen eine ‘eigenwillige Schreibsprache’Footnote108 aufweisen, verwendet Kleidung hauptsächlich als identitätsstiftendes und -ausweisendes Attribut.Footnote109 Sie sieht sich selbst als von der eigentlichen unio-Erfahrung ausgeschlossen, da sie verheiratet war, bevor sie Nonne wurde und somit keine Jungfrau mehr ist.Footnote110 So wird sieFootnote111 von Jesus dafür angeklagt, dass sie kein Hochzeitskleid trägt: ‘Daz kindlein sprach: “Sie hat kain hohziklich kleit. Pint ir hent vnd fvsz, werft sie avsz.’”Footnote112 Hierbei zeigt sich eine deutliche Referenz auf die Tradition der Brautmystik und die Erwartungen, welche an mystische Texte gestellt werden.Footnote113 Gleichzeitig macht das Fehlen dieses zentralen Elements die Unzulänglichkeit ihrer Figur deutlich und imaginiert Kleidung dadurch erneut als integralen Bestandteil der Identität sowie äußerlicher Sichtbarmachung innerer Eigenschaften.

Auch in Kapitel 41 klagt Jesus Katharina an. Sie imaginiert sich hierbei als ‘mor’Footnote114, doch sobald ihr dieses äußerliche, schwarze Kleid ausgezogen wird, wird sie zu einem ‘weisz kindlein pei zbein iarn.’.Footnote115 Die äußere Schwärze ist eine Referenz auf das häufig rezipierte ‘Nigra sed formosa sum’Footnote116 im Hohelied der Vulgata, die aufgrund des Leidens für den Glauben auftritt und einen starken Kontrast zur inneren Reinheit der Figur darstellt. Katharinas Ankläger sehen die schwarze Farbe als Sünde, Jesus jedoch befreit Katharina von diesen äußerlichen und irreführenden Zeichen, indem er sie durch seine Worte zu Kleidung macht und befiehlt, dass man Katharina auszieht.Footnote117 Hierbei findet eine Überblendung von Gottes Fähigkeit zur Vergebung von Sünden und dem zuvor genannten Aspekt der äußeren Entstellung bei innerer Reinheit statt. Aufgrund von Katharinas wiederholter Betonung ihrer eigenen Verfehlungen im Verlauf der Offenbarungen ist es naheliegend, dass hierbei beide Aspekte angesprochen werden.

Die nackte Katharina hingegen zeigt ihr wahres selbst, ein unschuldiges, weißes Kind. Die eröffnete Dichotomie von außen und innen, hell und dunkel verweist dabei indirekt auf die kategoriale Trennung von Seele und Körper, ohne diesen dabei vollständig auf das eine oder das andere festzulegen, obwohl die Begegnung mit Gott grundsätzlich immer eine spirituelle Erfahrung impliziert.

Wie auch bei Elsbeth soll Katharina nachfolgend am Kreuz hängen, um das Leiden Jesu nachzuempfinden und wird hierfür von Gott eingekleidet. Die neuen Kleider beinhalten einen bunten Unterrock sowie ein weißes Kleid und passen zur körperlichen Erscheinung Katharinas als unschuldiges Kind.Footnote118 Das Einkleiden durch Gott verstärkt den kindlichen Charakter der Figur, da sie dadurch auf ein passives annehmendes Verhalten festgelegt wird. Gleichzeitig beeinflusst Gott durch die De- und darauffolgende Investitur die Identität der Seele. Darüber hinaus wird die Kleidung als Zugangspunkt zur mystischen Erfahrung imaginiert. So öffnet die Seele nach dem Einkleidungsprozess die Augen und erkennt, dass sie zuvor blind gewesen ist.Footnote119

Die Kleidung, welche Katharina von Gott erhält, besteht aus einem farbenfrohen Rock, einem weißen Kleid und einem grünen Kranz für ihren Kopf.Footnote120 Diese Kombination verweist assoziativ auf ihre Unschuld sowie die angestrebte Nachfolge Jesu. So findet sich erneut ein impliziter Hinweis darauf, dass Jesus und die Seele von Gott gleich eingekleidet werden und somit eine Fluktuation von Identität ermöglicht wird.

Die gekreuzigte Seele begehrt nachfolgend ‘eins tropfleins der gothait avf ir zvwgen’.Footnote121 Hierbei wird erneut das Themenfeld Essen mit der Kleidermetaphorik und der unmittelbaren Gotteserfahrung kombiniert. Die äußerliche Empfindung der Kleidung Gottes wird damit durch die innerliche Erfüllung mit dem Tropfen Gottes ergänzt, wobei die sinnlich-seelische Wahrnehmung dieser Ereignisse als Referenzpunkt zur Illustration der Allumfänglichkeit Gottes wird. Gleichzeitig wird ein deutlich sexuell gefärbter Subtext offenbar, der Katharinas Erfahrungen in den Kontext der Brautmystik einordnet.

In der Beschreibung der schönen Kleider sowie dem Dürsten nach Gott offenbaren sich einschlägige Parallelen zu Mechthild.Footnote122 Allerdings erscheint Katharina durch die Imagination ihrer selbst als Kind, das angezogen wird und sich nach einem einzelnen Tropfen Gottes sehnt, deutlich passiver und genügsamer als Mechthild, die sich selbst anzieht und als ‘vollewahsen brut’Footnote123 bezeichnet. Zudem verspricht Gott Mechthild sie vollständig auszufüllen, was imaginativ größer und machtvoller erscheint als ein einzelner Tropfen.

III. Fazit

Die vorliegende Analyse konnte zeigen, dass Kleidung in allen betrachteten Texten eine zentrale Rolle zur Illustration und Imagination des mystischen Geschehens einnimmt. Hierbei vollziehen alle betrachteten Mystiker eine kategoriale Trennung von physischem und seelischem Körper, wobei die Deutung der Kleidung maßgeblich durch den ontologischen Status des Körpers, an dem sie anliegt, bestimmt wird. Gottesnähe wird dabei als ein durch, und bei Mechthild und Sunder sogar explizit mit Gott eingekleidet werden, beschrieben. Die Übernahme von Identitätsmerkmalen durch den Prozess der Investitur sowie die Möglichkeit der Nachfolge Christi, welche durch die geteilte Kleidung ermöglicht wird, ist dabei zentral. Die Kleidung dient damit als Instrument, um eine allgemeine Gottesnähe der Seele auszudrücken, allerdings auch, um die Seele Gott noch näherzubringen sowie zur Imagination der Vereinigung. Durch ihre identitätsprägenden und schicksalsleitenden Eigenschaften nimmt Kleidung somit in der mystischen Literatur die gleiche funktionale Position ein wie in der höfischen Literatur.Footnote124

Auch die Kleidung des physischen Körpers bei Seuse, welche allerdings in Opposition zu der schönen und angenehmen seelischen Kleidung konzipiert ist, bringt die Seele Gott näher. Hierbei wird die grundlegend gegensätzliche Konzeption von Seelenleib und Körper deutlich, welche sich in einem komplementären Verständnis von bekleidetem und nacktem Körper spiegelt. So wird irdische Nacktheit als Tugendlosigkeit und Defizit angesehen, während sie auf spiritueller Ebene Reinheit und Tugend offenbart.Footnote125

Ebenso wie Körper und Seele auf die Opposition von Innen und Außen referieren, werden Kleidung und Speise diesen Polen funktional zugeordnet. Die Seele wird dabei von innen vollständig von Gott ausgefüllt und von außen vollständig von ihm umfangen, sodass zunächst keine kategoriale Trennung zwischen innen und außen besteht, da beide Ebenen von Gott ausgefüllt werden. Imaginativ allerdings umfängt Kleidung die Seele von außen, während das innere Erfülltsein einen stark sexuell geprägten Charakter annimmt. Dieser wird bei Seuse und Sunder jedoch mit dem Bildspendebereich Essen überblendet, wodurch die sexuelle Konnotation abgemildert wird.Footnote126

Mechthilds Beschreibung der seelischen Investitur in Kapitel 44 hebt sich von den Beschreibungen anderer Mystiker deutlich ab, da es die Braut, die sich selbst einkleidet, als aktiv, bisweilen sogar fordernd, darstellt.Footnote127 Katharinas Flehen um einen Tropfen Gottes erscheint im Vergleich äußerst demütig.Footnote128 Betrachtet man hingegen den Moment der Vereinigung, so zeichnet Sunders Darstellung der Seele als Gott beigeordnet ein starkes, unabhängiges Bild der Seele, wohingegen Seuse das Einkleiden als Machtgewinn Gottes über die Seele interpretiert.Footnote129

Kleidung ist damit eine vielfältige Metapher zur Darstellung der Vereinigung mit Gott und wird von jedem Mystiker individuell ausgestaltet, wobei jedoch übereinstimmende Grundannahmen zu erkennen sind. Darüber hinaus kann das Einkleiden des Mystikers auf poetologischer Ebene auf den mystischen Text selbst übertragen werden. So ist das Verfassen eines mystischen Textes als Einkleiden der mystischen Erfahrung mit Worten zu verstehen. Ebenso wie die Seelenkleider, die Gott der Seele gibt, ist auch die unio eigentlich unbeschreiblich und wird erst durch die Verbindung mit einem Ankerpunkt in der physischen Welt für den Rezipienten fassbar gemacht.

Additional information

Funding

This work was supported by Clarendon Fund; Erasmus+; Merton College, University of Oxford.

Notes on contributors

Julia Lorenz

Julia Lorenz hat Germanistik und Politikwissenschaft in Heidelberg studiert und promoviert derzeit an der University of Oxford zum Thema Freundschaft und Liebe in höfischen Romanen. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Erzähltheorie und die Konstruktion von Identität in der mittelhochdeutschen Literatur.

Notes

1 Nachfolgend wird das generische Maskulinum verwendet, um sowohl auf männliche und weibliche Personen zu verweisen.

2 Eine Metapher ist ein sprachlicher Ausdruck im übertragenen Sinn, welcher in einer Ähnlichkeitsbeziehung zum eigentlich Gemeinten steht. Hierbei wird das gemeinte Wort oder Wortkomplex durch ein anderes ersetzt, welches über Ähnlichkeit oder Analogie mit dem eigentlichen verbunden ist. Die metaphorische Paraphrase ist jedoch kein simples Spiel mit Worten, da sie stets etwas verbildlicht, für das es keinen ‘eigentlichen’ Ausdruck gibt, wodurch das Weglassen der Metapher in einem Bedeutungsverlust resultiert. Darüber hinaus charakterisieren sich in einer Metapher beide miteinander verbundenen Konzepte gegenseitig, wobei eine Verbindung von Sprache und gedanklicher Imagination hergestellt wird. Vgl.: Hendrik Birus, ‘Metapher’, in Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft: Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Bd. 2 (H – O), hg v. Georg Braungart u.a. (Berlin: De Gruyter, 2010), S. 571–76 (S. 571); Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1982), S. 7–8; 23; Katrin Kohl, Poetologische Metaphern. Formen und Funktionen in der deutschen Literatur (Berlin: De Gruyter, 2011), S. 99.

3 Obwohl nicht alle dieser Autoren die unio vollziehen, werden sie in dieser Arbeit als Mystiker betrachtet, da sie ein intimes Erlebnis mit Gott beschreiben. Hierdurch kann auch beobachtet werden, ob der Vollzug der unio einen Einfluss auf die Verwendung der Kleidermetaphorik nimmt. Zitate aus der Primärliteratur werden mit Siglen gekennzeichnet, die auf den Namen des Mystikers und, sofern mehrere Werke desselben Autors betrachtet werden, zusätzlich auf ein konkretes Werk verweist. Alle Siglen werden im Siglenverzeichnis detailliert aufgeschlüsselt. Bei Mechthild-Zitaten wird zunächst auf das Buch dann auf Kapitel und Verse verwiesen, bei Elsbeth auf Kapitel und Verse und bei Sunder, Hartmann sowie Wirnt nur auf den Vers. Angaben zu Katharina und Seuse verweisen hingegen auf Buchseiten und die Referenzen zu Wolfram und Morungen auf Tageliednummern. Diese Variationen in der Zitierweise ergeben sich aus der unterschiedlichen Gliederung der vorliegenden Editionen.

4 Vgl. Carsten Morsch, Blickwendungen: virtuelle Räume und Wahrnehmungserfahrungen in höfischen Erzählungen um 1200 (Berlin: Schmidt, 2011), S. 10; Mikhail M. Bakhtin, The dialogic imagination: Four Essays, hg, von Michael Holquist (Austin: University of Texas Press, 1981), S. 254–55.

5 Vgl. Caroline W. Bynum, ‘Why All the Fuss About the Body? A Medievalist's Perspective’ Critical Inquiry, 22/1 (1995), 1–33 (S. 4).

6 Vgl. Uta Störmer-Caysa, Einführung in die mittelalterliche Mystik (Stuttgart: Reclam, 2004), S. 142.

7 Vgl. Lea Kohlmeyer, Eine “Husvrowe Inwendig des Lichamen”. Zur Konzeption und Darstellung der Menschlichen Seele im Fließenden Licht Der Gottheit Mechthilds von Magdeburg (ProQuest Dissertations Publishing, 2019), S. 94–95.

8 Vgl. Ebd., S. 96.

9 Vgl. Störmer-Caysa, Einführung in die mittelalterliche Mystik, S. 152; Theresia Heimerl, ‘Konzepte männlicher Identität in der deutschen Mystik des Mittelalters am Beispiel von Meister Eckhart und Heinrich Seuse’, in Edinburgh German Yearbook 2: Masculinities in German Culture, hg. von Sarah Colvin und Peter Davies (Rochester: Camden House, 2008), S. 34–49 (S. 38; 45).

10 Vgl. Lydia Wegener, ‘“Da^ daz ouge die varwe sol bekennen, da^ muoz ez von aller varwe gescheiden si^n”. Methoden der Wahrnehmungsintensivierung in Texten der deutschen Mystik’, in Farbe im Mittelalter. Materialität — Medialität — Semantik, hg. von Ingrid Bennewitz und Andrea Schindler (Berlin: Akademie Verlag, 2011), S. 803–16 (S. 811–12).

11 Vgl. Kohlmeyer, Eine “Husvrowe Inwendig des Lichamen”, S. 95; 97.

12 Sandra Fenten, Mystik und Körperlichkeit. Eine komplementär-vergleichende Lektüre von Heinrich Seuses geistlichen Schriften (Würzburg: Königshausen & Neumann, 2007), S. 47.

13 Von einer ‘Nobilisierung’ (Störmer-Caysa, 2004, S. 147) des physischen Leibes zu sprechen, erscheint jedoch übertrieben, da zwar ein Referenzverhältnis zwischen beiden Körpern besteht, der Seelenleib jedoch in Opposition zu den Unzulänglichkeiten des physischen Leibs konstruiert ist und eine distinkte Form von Körperlichkeit darstellt.

14 Vgl. Wegener, “Da^ daz ouge die varwe sol bekennen, da^ muoz ez von aller varwe gescheiden si^n”, S. 810.

15 Vgl. Maren Ankermann, ‘Spielarten erlebnismystischer Texte. Mechthild von Magdeburg: Das fließende Licht der Gottheit — Gertrud die Große von Helfta: Legatus divinae pietatis’, in Europäische Mystik vom Hochmittelalter zum Barock.Eine Schlüsselepoche in der europäischen Mentalitäts-, Spiritualitäts- und Individuationsentwicklung. Beiträge der Tagung 1996 und 1997 der Evangelischen Akademie Nordelbien in Bad Segeberg, hg. von Wolfgang Beutin und Thomas Bütow (Frankfurt a.M.: Peter Lang, 1998), S. 119–38 (S. 133).

16 Vgl. Fenten, Mystik und Körperlichkeit, S. 101–02; 141.

17 Mechthild verweist lediglich darauf, dass die Sinne der unio nicht beiwohnen können (MM, I. 44/45–62).

18 Vgl. Caroline W. Bynum, Jesus as Mother: Studies in the Spirituality of the High Middle Ages (Berkeley: University of California Press, 1982), S. 138.

19 Vgl. Volker Mertens, ‘Der Bräutigam, die Braut — die Weisheit und ihr Diener. Geschlechterkonzepte der Brautmystik bei Bernhard und Seuse’, in Mystik, Überlieferung, Naturkunde: Gegenstände und Methoden mediävistischer Forschungspraxis. Tagung in Eichstätt am 16. und 17. April 1999 anlässlich der Begründung der "Forschungsstelle für Geistliche Literatur des Mittelalters" an der Katholischen Universität Eichstätt, hg. von Robert Luff und Robert Kilian Weigand (Hildesheim: Olms, 2002), S. 1–16 (S. 14).

20 Vgl. Heimerl, Konzepte männlicher Identität in der deutschen Mystik des Mittelalters am Beispiel von Meister Eckhart und Heinrich Seuse, S. 45.

21 Die Vorbereitung auf die unio kann auch als Mann geschehen, wodurch die Liebe zu Gott eine partielle Angleichung der Geschlechter herbeiführt. Vgl. Mertens, Der Bräutigam, die Braut — die Weisheit und ihr Diener, S. 15–16.

22 Vgl. Heimerl, Konzepte männlicher Identität in der deutschen Mystik des Mittelalters am Beispiel von Meister Eckhart und Heinrich Seuse, S. 41.

23 Vgl. Jeffrey F. Hamburger, The Visual and the Visionary: Art and Female Spirituality in Late Medieval Germany (New York: Zone Books, 1998), S. 243; Annette Volfing, John the Evangelist in Medieval German Writing: Imitating the Inimitable (Oxford: Oxford University Press, 2001), S. 134; 139.

24 Vgl. Almut Suerbaum, ‘Die Paradoxie mystischer Lehre im “St. Trudperter Hohenlied” und im “Fließenden Licht der Gottheit”’, in Dichtung und Didaxe. Lehrhaftes Sprechen in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von Sandra Linden und Henrike Lähnemann (Berlin: De Gruyter, 2009), S. 27–40 (S. 40).

25 Vgl. Victoria Bartels and Katherine Bond, ‘Chapter 19: Dress and Material Culture’, in A Companion to Late Medieval and Early Modern Augsburg, hg. von B. Ann Tlusty and Mark Häberlein (Leiden: Brill, 2020), S. 440–69 (S. 467).

26 Vgl. Julia Bertschik, ‘Kleidung’, in Metzler Lexikon literarischer Symbole, 2. Aufl., hg. von Günter Butzer und Joachim Jacob (Stuttgart: Metzler, 2012), S. 217–19 (S. 218).

27 Vgl. Elke Brüggen, Kleidung und Mode in der höfischen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts, (Heidelberg: Winter, 1989), S. 47.

28 Vgl. Ulrike Lehmann-Langholz, Kleiderkritik in mittelalterlicher Dichtung. Der Arme Hartmann, Heinrich “von Melk”, Neidhart, Wernher der Gartenaere und ein Ausblick auf die Stellungnahmen spätmittelalterlicher Dichter (Frankfurt a.M.: Peter Lang, 1985), S. 226.

29 Vgl. ebd., S. 129–36; Christiane Nisters, ‘Der ‘gepineget licham’. Zur Bedeutung des ‘Autorinnenkörpers’ für die Wahrheitslegitimation des Fließenden Lichts der Gottheit’, in Literalität und Körperlichkeit. Littéralité et corporalité, hg. von Günter Krause (Tübingen: Stauffenburg, 1997), S. 21–46 (S. 45).

30 Vgl. Lehmann-Langholz, Kleiderkritik in mittelalterlicher Dichtung, S. 152–54; Carolin Oster, Die Farben höfischer Körper. Farbattribuierung und höfische Identität in mittelhochdeutschen Artus- und Tristanromanen (Berlin: De Gruyter, 2014), S. 69–70.

31 Vgl. Julia Stiebritz-Banischewski, Hofkritik in der mittelhochdeutschen höfischen Epik. Studien zur Interdiskursivität der Musik- und Kleiderdarstellung in Gottfrieds von Straßburg ‘Tristan’, Hartmanns von Aue ‘Ereck’, der ‘Kudrun’ und im ‘Nibelungenlied’ (Berlin: De Gruyter, 2021), S. 323; Brüggen, Kleidung und Mode in der höfischen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts, S. 74–75.

32 Vgl. Andreas Kraß, Geschriebene Kleider. Höfische Identität als literarisches Spiel (Tübingen: Francke, 2006), S. 276.

33 Vgl. ebd., S. 39.

34 Vgl. Friedrich Wolfzettel, ‘Der defiziente arthurische Körper. Nacktheit als Gattungs-Paradigma’, in Körperkonzepte im Arturischen Roman, hg. von Friedrich Wolfzettel (Tübingen: Niemeyer, 2012), S. 201–30 (S. 205).

35 Vgl. Charles T. Wood, ‘The Doctors’ Dilemma: Sin, Salvation, and the Menstrual Cycle in Medieval Thought’ Speculum, 56/4 (1981), 710–27 (S. 711); Theresia Heimerl, Frauenmystik — Männermystik? Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung von Gottes- und Menschenbild bei Meister Eckhart, Heinrich Seuse, Marguerite Porete und Mechthild von Magdeburg (Münster: LIT, 2002), S. 253; Marianne Heimbach-Steins, ”Der ungelehrte Mund” als Autorität. Mystische Erfahrung als Quelle kirchlich- prophetischer Rede im Werk Mechthilds van Magdeburg (Stuttgart: Frommann-Holzboog, 1989), S. 67.

36 Kraß, Geschriebene Kleider, S. 43; siehe auch: Aurelius Augustinus, Über den Wortlaut der Genesis. De genesi ad litteram libri duodecim. Der große Genesiskommentar in zwölf Büchern, Bd. 1, hg. von Carl Johann Perl (Paderborn: Schöningh 1961). Augustinus unterscheidet hierbei sogar zwischen drei Körpern: dem paradiesischen, dem irdischen und dem der Auferstehung. Da die unio-Erfahrungen der Mystiker jedoch nach dem Sündenfall stattfinden, bleibt der paradiesische Leib in der vorliegenden Analyse ausgeklammert, weil er für die Mystiker unerreichbar ist und somit kein Teil ihrer mystischen Erfahrung sein kann. Vgl. Kraß, Geschriebene Kleider, S. 42.

37 Racha Kirakosian, ‘Intertextuelle Textilien, Imaginäre Kleider und Temporalität bei Alanus ab Insulis und Gertrud von Helfta’, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, 142/2 (2020), 236–66 (S. 293).

38 Vgl. ebd., S. 241–43.

39 Vgl. Kirakosian, Intertextuelle Textilien, S. 266.

40 Vgl. Bertschik, Kleidung, S. 218.

41 Vgl. Peter Dinzelbacher, Christliche Mystik im Abendland. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters (Paderborn: Schöningh, 1994), S. 208; Bernard McGinn, The Flowering of Mysticism: Men and Women in the New Mysticism (12001350). The Presence of God Vol. 3: A History of Wetsern Christian Mysticism (New York: The Crossroad Publishing Company, 1998), S. 222.

42 Vgl. MM, I. 44/15.

43 Vgl. ebd., I. 44/18–22.

44 Vgl. Brüggen, Kleidung und Mode in der höfischen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts, S. 71.

45 Vgl. Oster, Die Farben höfischer Körper, S. 67; Silvan Wagner, ‘Die Farben der Minne. Farbsymbolik und Autopoiesie im ‘Gürtel’ Dietrichs von der Glezze’, in Farbe im Mittelalter. Materialität — Medialität — Semantik, hg. von Ingrid Bennewitz und Andrea Schindler (Berlin: Akademie Verlag, 2011), S. 551–66 (S. 551).

46 Vgl. MM, VII. 27/2–5; Nisters, Der ‘gepineget licham’, (S. 45).

47 Vgl. Sara S. Poor, Mechthild of Magdeburg and Her Book: Gender and the Making of Textual Authority (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2004), S. 89.

48 Vgl. MM, I. 44/81.

49 Vgl. MM, I. 44/84–86; Nisters, Der ‘gepineget licham’, S. 45.

50 MM, II. 5/7–8.

51 Wie Egerding von einer vollständig kommutablen Identität zu sprechen, ist allerdings nicht möglich, da die Kleidung die Identität der Figuren zwar ergänzt und nach außen sichtbar macht, der Seelenleib jedoch auch ohne sie eine vollständige Identität besitzt. Vgl. Michael Egerding, Die Metaphorik der spätmittelalterlichen Mystik (Paderborn: Schöningh, 1997), S. 187.

52 Vgl. MM, I. 44/15; 45–62.

53 MM, I. 44/15.

54 MM, I. 44/23.

55 Vgl. Ebd., 44/23–25.

56 Vgl. Störmer-Caysa, Einführung in die mittelalterliche Mystik, S. 147; Kohlmeyer, Eine “Husvrowe Inwendig des Lichamen”, S. 94.

57 Vgl. Helga Kraft, ’Töchter, die keine Mütter werden. Nonnen, Amazonen, Mätressen’, in Mütter, Töchter, Frauen. Weiblichkeitsbilder in der Literatur, hg. von Helga Kraft und Elke Liebs (Stuttgart: Metzler, 1993) S. 35–52 (S. 42–43).

58 MM, I. 44/82.

59 Vgl. MM, VII. 27/2–5.

60 Vgl. MM, I. 44/32–33; Ankermann, Spielarten erlebnismystischer Texte, S. 133.

61 MM, I. 44/81–84.

62 Vgl. ebd., I. 44/88–89.

63 Je nach Blickwinkel auf die unio kann diese auch als Überwindung der Nähe verstanden werden. Die Implikationen für die vorliegende Analyse bleiben jedoch unverändert. Vgl.: Helena Stadler, Konfrontation und Nachfolge. Die metaphorische und narrative Ausgestaltung der Unio mystica im Fliessenden Licht der Gottheit von Mechthild von Magdeburg (Bern: Peter Lang, 2001), S. 83; Egerding, Die Metaphorik der spätmittelalterlichen Mystik, S. 168; Barbara Newman, ‘Annihilation and Authorship: Three Women Mystics of the 1290s’ Speculum, 91/3 (2016), 591–630 (S. 627).

64 MM, I. 44/89.

65 Ebd..

66 Vgl. Stadler, Konfrontation und Nachfolge, S. 82–83.

67 Susanne Köbele, Bilder der unbegriffenen Wahrheit. Zur Struktur mystischer Rede im Spannungsfeld von Latein und Volkssprache (Tübingen: Francke, 1993), S. 67.

68 Ähnliche Aspekte werden beispielsweise in Wolframs Tagelied Den morgenblic bî wahtæres sange erkôs sowie in Morungens Owê, sol aber mir iemer mê aufgerufen (WE, 215; HM, 122).

69 Vgl. Newman, Annihilation and Authorship, S. 628.

70 Vgl. Dinzelbacher, Christliche Mystik im Abendland, S. 321.

71 FS, V. 1123.

72 Vgl. Der Bräutigam, die Braut — die Weisheit und ihr Diener, S. 15–16.

73 Dies stellt eine Variation des von Mechthild geschilderten gegenseitigen Einkleidens von Gott und Seele dar. Vgl. MM, II. 5/7–8.

74 FS, V. 1127–28.

75 Vgl. FS, V. 1129–33.

76 Vgl. Ebd., V. 1139–40.

77 Vgl. Mertens, Der Bräutigam, die Braut — die Weisheit und ihr Diener, S. 14; Patricia Yaeger, Honey-Mad Women: Emancipatory Strategies in Women's Writing (New York: Columbia University Press, 1988), S. 5.

78 Vgl. FS, V. 1137–40.

79 Vgl. ebd., V. 1145–46.

80 FS, V. 1145–47.

81 Hierbei handelt es sich nicht um eine Ebenbürtigkeit der Seele gegenüber Gott. Allerdings wird sie als Teil Gottes imaginiert und ist dadurch in der Imagination nicht in direkter Hierarchie zu Gott gesetzt.

82 Vgl. FS, V. 1150­–55.

83 Vgl. Ebd., V. 1210–11.

84 Ausgehend vom intimen Moment der Vorstellung des nackten Jesus am Kreuz, erwächst Süßigkeit und Wollust, die der Sprecher im Glauben findet. So führt ein intimer, körperlicher Moment zu einer intensiven Erfahrung Gottes, wobei physisch-körperliches und spirituelles Erleben interferieren. Siehe auch: Kraß, Geschriebene Kleider, S. 39; 45.

85 Vgl. HS/SL, 44; Dinzelbacher, Christliche Mystik im Abendland, S. 296.

86 Vgl. HS/SL, 45.

87 Hierbei zeigen sich eindeutige Parallelen zu Seuses Biographie. Vgl.: Dinzelbacher, Christliche Mystik im Abendland, 297–98.

88 Vgl. HS/SL, 45–46; Caroline W. Bynum, Holy Feast and Holy Fast: The Religious Significance of Food to Medieval Women (Berkeley: University of California Press, 1987), S. 189; 246.

89 HS/GB, 440.

90 Vgl. Ebd., 439–40.

91 Vgl. EW, 224; HS/BW, 329; HS/GB, 492.

92 HS/GB, 492

93 Vgl. HS/EW, 224.

94 Eine bemerkenswerte Parallele zu Mechthild zeigt sich im Verlust der irdischen Sinne, den die Seele durch die konzeptionelle Trennung physischer und spiritueller Sphäre bei Seuse wie auch bei Mechthild erlebt. Vgl. HS/GB, 492; MM, I. 44/45–62.

95 So befinden sich Iwein und Wigalois am Tiefpunkt ihrer aventiure, als sie nackt und ihrer Identität entfremdet in die Wildnis gehen. Der Aspekt der Nacktheit als Tiefpunkt, nämlich als Schande und defizitärer Identität, erscheint ebenfalls bei der Tötung eines Ketzers. Dieser soll nackt an einen Spieß gehängt und im Wind getrocknet werden, wodurch seine Schande konserviert und damit als Mahnmal aufbewahrt wird. Vgl. HA, V. 3201–3690; WG, V. 5782–6160; HS/SL, 77; HS/EW, 260.

96 Vgl. HS/II. Predigt, 511; HS/GB, 488.

97 Vgl. Dinzelbacher, Christliche Mystik im Abendland, S. 323; McGinn, The Flowering of Mysticism, S. 314.

98 Vgl. EO, 5/3–4.

99 Ebd., 5/19.

100 Ebd., 5/15–16.

101 Dabei stellt das von Elsbeth imaginierte gleiche Kleid für Jesus und die Seele eine Variation des bei Mechthild und Sunder beobachteten gegenseitigen Einkleidens von Gott und Seele dar.

102 EO, 5/15.

103 Ebd..

104 Ebd.; siehe auch: Georg Friedrich Bennecke u.a., ‘Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke Bd. 1 (A – L)’ (Leipzig: Hirzel, 1854), S. 592.

105 Auch wird in dieser, der Kalokagathie folgenden Beschreibung von Kleidung erneut eine Nutzbarmachung höfischer Erzählstrategien deutlich.

106 EO, 5/37–39.

107 Vgl. Bynum, 1987: 245. Die Imagination tragbarer Kleidung zeigt, dass jeder den christlichen Glauben anlegen kann. Die Duplizierung und potentielle Vervielfältigung der Kleidung Christi wiederum zeigt, dass jeder das gleiche Kleid trägt und vor Gott somit alle Menschen gleich sind. Körper und Identität werden dabei jedoch auch teilweise ihrer Individualität beraubt.

108 KT, 7.

109 Katharinas Aufzeichnungen stießen bei zeitgenössischen Rezipienten wahrscheinlich auf Verständnislosigkeit. So wurden ihre Schriften bei der Überlieferung marginalisiert. Vgl. ebd., 1; 13.

110 Vgl. ebd., 55.

111 Da Die „Offenbarungen“ der Katharina Tucher aus Tagebucheinträgen von Katharina bestehen, wird die Erzählerstimme des Textes nachfolgend Katharina genannt.

112 KT, 53.

113 Obwohl hôchzît im Mittelhochdeutschen ein allgemeinerer Begriff für Festivitäten war, bestand die Assoziation zur Eheschließung bereits. Vgl. Wolfgang Pfeifer (Hrsg.), ‘Etymologisches Wörterbuch des Deutschen’ (Berlin: Akademie-Verlag, 1989), S. 689.

114 KT, 49.

115 Ebd..

116 Hieronimus, Biblia Sacra Vulgata. Band III Psalmi — Proverbia — Ecclesiastes — Canticum canticorum — Sapientia — Iesus Sirach, hg. von Andreas Beriger u.a. (Berlin: De Gruyter, 2018), S. 928.

117 Vgl. KT, 48.

118 Vgl. ebd., 49.

119 Hierbei wird erneut die Grundannahme von konzeptuell getrennten Sinnen des physischen und seelischen Körpers deutlich, wobei die Seele Gottes Hilfe benötigt, um ihre Sinne zu entfalten.

120 Vgl. KT, 49.

121 KT, 49.

122 Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Katharina Mechthilds Werk kannte. Vgl. KT, 11.

123 MM, I. 44/63.

124 Vgl. Oster, Die Farben höfischer Körper, S. 246.

125 Vgl. HS/EW, 260; HS/II. Predigt, 511; MM, I. 44/84–86.

126 Vgl. HS/SL, 45–46; FS, V. 1145.

127 Vgl. MM, I. 44/32–33.

128 Vgl. KT, 49.

129 Vgl. FS, V. 1145–47; HS/EW, 224; HS/GB, 492.