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Research Article

Die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum in Zeiten der Wohnkrise

Deutungen und Praktiken der Wiener Gemeinnützigkeit

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Abstract

Limited-profit housing associations are established players in Vienna’s housing market. The exorbitant rise in land and construction costs in recent years and increasing demand for affordable housing have far-reaching implications for the provision of affordable housing in Vienna. These developments are causing shifts not only in the housing market in general, but also within the nonprofit sector. This paper approaches these shifts at the level of limited-profit housing associations and examines a) which interpretations of affordability and related challenges can be found in the field of limited-profit housing, and b) which practices are applied in the provision of (affordable) housing. Empirically, the article draws on interviews with board members, managing directors and project developers from the limited-profit housing sector, which were conducted between 2020 and 2021. Finally, implications for the limited-profit sector in Vienna and for the provision of (affordable) housing are discussed.

English title: The provision of affordable housing in times of the housing crisis. Interpretations and practices of the non-profit sector in Vienna

1. Einleitung

Die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum ist in den letzten Jahren stark unter Druck geraten. Steigende Grundstücks- und Baukosten, intensivierte Aktivitäten gewerblicher Bauträger und nicht zuletzt demographische Veränderungen und zunehmende Einkommensungleichheiten bergen sowohl für die Errichtung als auch den Zugang zu leistbarem Wohnraum grosse Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund wird die Wohnungsfrage von vielen Seiten als eine der zentralen sozialen Fragen der Gegenwart erachtet (Kadi et al. Citation2020; Kadi et al. Citation2021).Footnote1 In diesem Kontext wird auch die Rolle des sozialen Wohnbaus neu diskutiert. Während in den vergangenen Jahrzehnten in vielen europäischen Städten der soziale Wohnungsbestand privatisiert und Bauaktivitäten dem privaten Markt überlassen wurden (Andersson, Turner Citation2014; Marquardt, Glaser Citation2020), behielt der soziale, respektive kommunale und gemeinnützige Wohnbau in Wien seine zentrale Stellung.

Leistbaren Wohnraum zu schaffen und diesen auch Bevölkerungsgruppen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung zu stellen, prägt seit den 1920er Jahren (mit Unterbrechungen während der Zeit des Austrofaschismus und des Nationalsozialismus) das Leitbild der Wiener Wohnpolitik (Förster, Menking 2016). Seit die Stadt Wien in den 1990er Jahren den Neubau kommunaler Wohnungen weitestgehend eingestellt hat, sind gemeinnützige Bauträger die primären Anbieter von sozialem Wohnungsneubau in Wien. Es handelt sich dabei um etablierte Akteure, die teilweise bereits in der Zwischenkriegszeit gegründet und spätestens nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen Grossteil des Wohnungsneubaus betrieben haben. Sie verstehen sich als «dritten Sektor» zwischen Markt und Staat, dessen Aufgabe die Versorgung mit leistbarem und qualitätsvollem Wohnraum ist (GBV Citation2016).

Der vorliegende Beitrag versteht «Gemeinnützigkeit» als dynamisches Konstrukt, dessen historisch konkrete Ausformung Ergebnis von Aushandlungsprozessen ist (Thiemeyer Citation1970), in denen darum gerungen wird, was unter Gemeinnützigkeit verstanden wird und wie eine gemeinnützige Baupraxis ausgestaltet sein soll. In diese Aushandlung sind unterschiedliche Interessengruppen involviert – sie reichen von staatlichen Akteur:innen, über sozialpartnerschaftliche Institutionen bis hin zur gewerblichen Immobilien- und Bauwirtschaft und nicht zuletzt den gemeinnützigen Wohnbauträgern selbst. Auf die letztgenannten soll im Folgenden das Augenmerk gelegt werden. Der Beitrag nähert sich diesen Auseinandersetzungen über den Begriff der «Leistbarkeit» an, der von den gemeinnützigen Bauträgern als zentrale Aufgabe und Zweck der Gemeinnützigkeit gedeutet wird. Gefragt wird, welche Deutungen von Leistbarkeit und damit verbundene Herausforderungen in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu finden sind und wie sich die Baupraxis gestaltet. Erkundet werden soll dadurch auch, ob sich durch die «neue Wohnungsfrage» Spannungslinien innerhalb der Gemeinnützigkeit ergeben, welche auf unterschiedlichen Selbstverständnissen und Strategien gemeinnütziger Bauträger in puncto Leistbarkeit beruhen.

Eine solche differenzierte Analyse der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ist bislang ausgeblieben, obwohl der soziale Wohnungsmarkt in Wien nicht zuletzt wegen seiner im internationalen Vergleich besonderen Stellung ein vielbeforschter Gegenstand ist (Kadi Citation2015; Reinprecht Citation2017). Tendenziell wird die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in der Literatur als homogenes Feld betrachtet und dabei dem privaten Wohnungsmarkt gegenübergestellt. Ein relationaler Blick auf die gemeinnützige Wohnungswirtschaft, der die unterschiedlichen Deutungen und Praktiken in Beziehung zueinander setzt, wie ihn dieser Beitrag verfolgt, ist jedoch notwendig, um herausarbeiten zu können, auf welche Weise aktuelle Herausforderungen am Wohnungsmarkt bearbeitet werden. Der Beitrag zeigt, dass es unter den aktuellen Bedingungen marktlicher Entwicklungen und veränderter staatlicher Wohnpolitik zu einer Stärkung marktwirtschaftlicher gegenüber gemeinwohlorientierter Praktiken in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft kommt. Diese Verschiebung birgt das Potential, zu einer langfristigen Umgestaltung des sozialen Wohnbaus in Wien beizutragen.

Im Folgenden wird nach einer kurzen Beschreibung des Wiener Kontexts (Kapitel 2), die Forschungsfrage in der Gemeinwirtschaftstheorie verortet (Kapitel 3) und das methodische Vorgehen beschrieben (Kapitel 4). Im Anschluss folgt die Darstellung der Ergebnisse, wobei die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum als umkämpftes Handlungsfeld der Gemeinnützigkeit beschrieben wird (Kapitel 5). Abgeschlossen wird der Beitrag mit der Herausarbeitung zentraler Implikationen dieser Erkenntnisse (Kapitel 6).

2. Die Gemeinnützige Wohnungswirtschaft in Wien

Gemeinnützige Bauträger sind etablierte Akteure am Wiener Wohnungsmarkt. Die knapp 181 000 gemeinnützigen Mietwohnungen (GBV Citation2021: 22) machen etwa 21% aller Hauptwohnsitze in Wien aus (Statistik Austria Citation2021a: 24). Der Grossteil der 60 registrierten gemeinnützigen Bauträger in Wien wurde in der Zwischenkriegszeit (33%) oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg (55%) gegründet. Die Mehrheit (58%) ist als Genossenschaft organisiert, während Kapitalgesellschaften (AG und GmbH) mit 42% zwar zahlenmässig weniger sind, aber knapp 60% des gemeinnützigen Wohnungsbestandes verwalten und ebenso 60% des gemeinnützigen Neubaus leisten.Footnote2

Der Status der Gemeinnützigkeit ist vorrangig legistisch durch das nationale Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) bestimmt. Die zentralen Prinzipien des WGG sind Kostendeckung und Gewinnbeschränkung. Dem Kostendeckungsprinzip entsprechend dürfen «Kauf- und Nutzungsentgelte […] grundsätzlich nicht höher oder niedriger sein, als dies zur Deckung der Kosten notwendig ist» (Achatz, Finsterer Citation2019: 16). Mietpreise müssen folglich je nach anfallenden Herstellungsund Bewirtschaftungskosten (inkl. Erhaltungsund Finanzierungskosten) berechnet werden.Footnote3 Gewinnmöglichkeiten sind dabei nicht ausgeschlossen, aber beschränkt auf einen Höchstsatz von 5% des Stammkapitals. Darüber hinaus ist laut WGG der Geschäftskreis auf Wohnbau und verwandte Bereiche limitiert, und es besteht eine Baupflicht, welche sicherstellt, dass erwirtschaftete Gewinne wieder in Wohnbau investiert werden. Zentrales Charakteristikum ist damit die gesetzliche «Beschränkung der Eigentümerrechte», die vorsieht, dass erwirtschaftetes Vermögen «der Erfüllung gemeinnütziger Zwecke gewidmet bleibt» (Bauer Citation2006: 21).

Die Stadt Wien hat eine lange Tradition der Wohnpolitik und unterstützt die Schaffung von sozialem Wohnbau durch gemeinnützige Bauträger auf vielfältige Weise. Neben der Wohnbauförderung betreibt die Stadt Wien auch eine aktive Bodenbevorratung und vergibt GrundstückeFootnote4 als gewidmetes Bauland vorrangig für die Umsetzung von gefördertem Wohnbau. Lange Zeit gab es ein einigermassen stabiles Verhältnis zwischen Gemeinnützigen, Staat und Markt. Gemeinnützige Bauträger versorgten sich am Markt oder über die Stadt Wien mit Grundstücken und deckten ihre Finanzierungskosten zu 25−50 % über günstige Darlehen der Stadt Wien (GBV Citation2016: 91). Im aktuellen Kontext steigender Grund- und Baukosten gerät die gemeinnützige Wohnungswirtschaft allerdings zunehmend unter Druck. Hohe Grundstückspreise erschweren den Zugang zu Bauland und damit die Umsetzung von Neubauprojekten. Die durchschnittlichen Baugrundpreise sind in Wien zwischen 2010 und 2019 um 124% gestiegen: Während im Jahr 2010 der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Bauland bei rund 490 EUR lag, stieg dieser bis 2019 auf durchschnittlich 1100 EUR an (Baron et al. Citation2021: 19). Die Ursachen für diese Entwicklungen sind vielfältig: Gewerbliche Bauträger haben in ihrer Bauaktivität in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt und damit auch die Bodenpreisentwicklung befeuert (siehe ). Darüber hinaus ermöglichten niedrige Zinsen am Kapitalmarkt einen übermässigen Ankauf von Grundstücken, was wiederum die spekulative Nachfrage erhöht und die Preise weiter in die Höhe treibt.

Abb. 1: Bauaktivität in Wien. (Quelle: Statistik Austria, Baumassnahmenstatistik; GBV 2020; MA50, Wettbewerbsbücher; Wohnfonds Wien, Tätigkeitsbericht)

Abb. 1: Bauaktivität in Wien. (Quelle: Statistik Austria, Baumassnahmenstatistik; GBV 2020; MA50, Wettbewerbsbücher; Wohnfonds Wien, Tätigkeitsbericht)

Da die Wiener Wohnbauförderung die Grundstückskosten mit 188 EUR pro Quadratmeter zukünftiger Bruttogeschossfläche beschränkt, ist es zunehmend schwierig Grundstücke für förderbaren Wohnbau zu finden. Gemeinnützige Bauträger sind allerdings nicht verpflichtet gefördert zu bauen, sie können auch ohne Förderung, also freifinanziert, Miet- oder Eigentumswohnungen errichten. In den letzten Jahren ist dementsprechend eine deutliche Ausweitung des freifinanzierten Wohnbaus zu beobachten. So ist das steigende Bauvolumen zwischen 2012 und 2019 fast ausschliesslich auf dieses Segment zurückzuführen, während die Anzahl gemeinnützig geförderter Wohnungen in diesen Jahren relativ stabil zwischen 2000 und 3000 Wohnungen pro Jahr lag (siehe ). Wenngleich das Kostendeckungsprinzip des WGG weiterhin zur Anwendung kommt, sind freifinanzierte Wohnungen in der Regel teurer, da die Obergrenze für Grundkosten, die das Wohnbauförderungsgesetzes vorsieht, nicht berücksichtigt werden muss. Hohe Grundstücks- und Baukosten führen somit zu hohen kostendeckenden Mieten.

Abb. 2: Fertiggestellte gemeinnützige Wohnungen in Wien nach Förderung (ohne Heime). (Quelle: GBV Citation2019)

Abb. 2: Fertiggestellte gemeinnützige Wohnungen in Wien nach Förderung (ohne Heime). (Quelle: GBV Citation2019)

Vor dem Hintergrund steigender Bodenpreise kommt der Bodenbevorratung der Stadt Wien und ihrer Vergabe von Bauland zu Konditionen, die geförderten Wohnbau ermöglichen, zunehmend mehr Bedeutung zu. Seit Mitte der 1990er Jahre vergibt der Wohnfonds Wien grössere Baugrundstücke über das Instrument des Bauträgerwettbewerbs, welches bestimmte Qualitäten auf der Basis eines 4-Säulen Modells einfordert.Footnote5 Der geförderte Wohnbau, so die Stadt Wien, soll «Leistbarkeit» sicherstellen, aber auch den «zeitgenössischen Qualitäten in den Bereichen Ökonomie, sozialer Nachhaltigkeit, Architektur und Ökologie […] entsprechen» (Wohnfonds Wien Citation2019b). Der Bauträgerwettbewerb setzt damit Leistbarkeit, Nutzer:innen und Wohnqualität in ein Verhältnis und stellt in der Aushandlung der Deutungen von Leistbarkeit eine zentrale Instanz dar, an der sich gemeinnützige Bauträger orientieren müssen (Azevedo et al. Citation2022).

Die Herstellung von leistbarem Wohnraum ist jedoch nicht nur durch Herausforderungen auf der Angebotsseite geprägt, sondern ebenso auf der Nachfrageseite. Die Entwicklung der Wohnkosten und Einkommen macht deutlich, dass es in Wien ein zunehmendes Leistbarkeitsproblem gibt. Die durchschnittlichen Mietwohnungspreise inkl. Betriebskosten sind in den letzten zehn Jahren in Wien um knapp 40% gestiegen, von 6,2 EUR im Jahr 2010 auf 8,6 EUR im Jahr 2020. Am privaten Wohnungsmarkt liegen die Durchschnittspreise inzwischen sogar bei 10,3 EUR (Statistik Austria Citation2021b). Im Zusammenspiel mit seit den 1990er Jahren stagnierenden bzw. sinkenden Reallöhnen in den unteren Einkommensgruppen (Rechnungshof 2020) führt dies zu einer massiven Wohnkostenbelastung.Footnote6 Die zunehmende Nachfrage nach leistbarem Wohnraum ist neben der Einkommenssituation u.a. auch auf verstärkten Zuzug nach Wien und demographische Veränderungen, wie eine Versingelung von Haushalten, zurückzuführen. Bei der Frage des Zugangs zu sozialem Wohnbau wird speziell der gemeinnützige Sektor dafür kritisiert, dass durch grosszügige EinkommensgrenzenFootnote7 zwar formal 80% der Bevölkerung dazu berechtigt sind (Tsenkova Citation2014: 103), der Zugang für Bevölkerungsgruppen mit prekärem ökonomischem aber auch aufenthaltsrechtlichem Status allerdings deutlich erschwert wird (Kadi Citation2015; Kumnig Citation2018; Reinprecht Citation2017). So zeigen Analysen der Bewohner:innen-Strukturen, dass mehrheitlich mittlere und hohe Einkommensgruppen im gemeinnützigen Sektor wohnen, während der Zugang für untere Einkommensgruppen aufgrund von Eigenmittelanteilen schwieriger ist und diese vorrangig auf den Gemeindebau oder den privaten Mietmarkt angewiesen sind (Litschauer, Friesenecker Citation2022).

Insgesamt sind gemeinnützige Bauträger aktuell sowohl mit einem steigenden Bedarf an leistbarem Wohnraum als auch mit erschwerten Bedingungen für dessen Herstellung konfrontiert. Es stellt sich die Frage, wie mit diesen Entwicklungen innerhalb des heterogenen Feldes der Gemeinnützigkeit umgegangen wird.

3. Gemeinnützigkeit: Leistbarkeit zwischen Gemeinwohl und Erwerbswirtschaft

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es angesichts vielfältiger zugrundeliegender Anliegen und diverser Einsatzmöglichkeiten von Indikatoren sehr unterschiedliche Definitionen, Operationalisierungen und Richtwerte für Leistbarkeit (Hancock Citation1993; Hulchanski Citation1995; Stone Citation2006). Im Allgemeinen setzt Leistbarkeit die Wohnkosten ins Verhältnis zum Einkommen, und kann damit weniger als Charakteristikum von Wohnraum, sondern vielmehr als Beziehung zwischen Wohnraum und Bewohner:innen interpretiert werden (Stone Citation2006). Dabei stellt sich allerdings die Frage, welche Kosten- und Einkommenskomponenten Berücksichtigung finden und welche Wohnbedürfnisse und Wohnqualitäten als notwendig oder akzeptabel unterstellt werden (Definition). Zudem können zur Bestimmung von Leistbarkeit unterschiedliche Indikatoren herangezogen werden (Messung). Schliesslich gilt es die Grenze zwischen leistbarem und nicht-leistbarem Wohnraum zu ziehen (Richtwert).

Grundsätzlich können zwei Konzepte zur Messbarmachung von Leistbarkeit unterschieden werden (Kunnert Citation2016). Im Ausgabenanteilsansatz werden Wohnkosten ins Verhältnis zum Einkommen gesetzt und diese Wohnkostenbelastung als Indikator zur Messung der Betroffenheit ermittelt. Beim Residualeinkommensansatz wird ermittelt welches Einkommen nach Abzug der Wohnkosten zur Befriedigung anderer Grundbedürfnisse des Lebens zur Verfügung steht.Footnote8 Die Grenze zwischen leistbar und nicht-leistbar wird entsprechend divergierender normativer Grundsätze unterschiedlich gezogen. So legt die Statistik Austria die Grenze bei 25% des verfügbaren Haushaltseinkommens fest, EU-SILC bei 40% (allerdings inkl. Energiekosten), und Kadi et al. (Citation2021) setzen den Richtwert bei 30%. Einen anderen Ansatz verfolgen Bacher und Tamesberger (2019), die als «günstigen Wohnraum» jene Wohnungen bestimmen, die weniger als 70% des durchschnittlichen Mietpreises von Wohnungen mit gleicher Zimmeranzahl kosten. Leistbarkeit wird also entweder als Frage des Wohnungsmarktes und der Wohnkosten oder als Frage der Einkommensverteilung betrachtet und kann daher als relatives Konzept verstanden werden, das einer Deutung, Interpretation und Konkretisierung bedarf.

Die Gemeinwirtschaftstheorie ist eine gewinnbringende Heuristik, um aktuelle Entwicklungen innerhalb der Gemeinnützigkeit im Allgemeinen, und die damit verbundenen Aushandlungen von Leistbarkeit im Speziellen, theoretisch greifbar zu machen. Diese in der jüngsten Vergangenheit etwas in Vergessenheit geratene Theoriedebatte umfasst dabei eher unterschiedliche theoretische Konzepte als eine einheitliche Theorie, erlaubt so allerdings eine Konkretisierung relevanter Aspekte und die Identifizierung zentraler Elemente der Analyse.

Erste Überlegungen der klassischen Periode der Gemeinwirtschaft (1860–1890) wurden sowohl in den 1920er/30er Jahren als auch in den 1970er/80er Jahren aufgegriffen und weiterentwickelt (vgl. Hesselbach Citation1972; Krätke Citation1987; Kühne Citation1978; Thiemeyer Citation1970, Citation1972). In dieser Tradition wurden auf der einen Seite auf struktureller Ebene die Stellung der Gemeinwirtschaft in der Wirtschaftsordnung reflektiert sowie Prinzipien gemeinwirtschaftlicher Tätigkeit herausgearbeitet, also Gemeinwirtschaftlichkeit bestimmt. Auf der anderen Seite fand eine Auseinandersetzung mit Aspekten der Unternehmenskultur und -philosophie gemeinwirtschaftlicher Unternehmen statt. Folgen wir Krätke (Citation1987) können drei zentrale Aspekte in der Theoretisierung von Gemeinnützigkeit identifiziert werden, die auch für die Aufarbeitung der verschiedenen Zugänge hilfreich sind: Erstens im Hinblick auf ihre Funktion in einer wirtschaftlichen Gesamtordnung, zweitens im Hinblick auf die Form der Wirtschaftsführung und drittens im Hinblick auf den Inhalt der Wirtschaftstätigkeit.

Die Funktion gemeinnütziger Unternehmen wird sowohl auf Ebene der (markt-)wirtschaftlichen Tätigkeit, als auch auf Ebene der Wirtschaftsordnung im Verhältnis zu Markt und Staat verortet. Ersteres umfasst die Betonung der Versorgungsfunktion gegenüber einem Gewinnstreben. Letzteres sieht die Funktion einerseits als Ergänzung (im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft), andererseits wird ihr aber auch das Potential einer Gegenmacht zugeschrieben. So konzipiert Ritschl (Citation1931) Gemeinwirtschaft als Teil einer dualistischen Wirtschaftsordnung, in der ein gemeinwirtschaftlicher Sektor neben einem marktwirtschaftlichen besteht, welche sich wechselseitig ergänzen. Demgegenüber sieht Novy (Citation2020) in genossenschaftlichen Organisationsformen mit ihren alternativen Formen der Wirtschaftsführung das Potential für eine Transformation des Wirtschaftssystems und konzipiert Gemeinwirtschaft entsprechend als Gegensatz zu einer privaten, aber auch staatlich organisierten Wohnversorgung.

In Bezug auf die Form gemeinnütziger Wirtschaftsführung betont Ritschl (Citation1931, Citation1973), dass gemeinnützige Unternehmen im Gegensatz zu erwerbswirtschaftlichen Anbietern nicht nach dem Gewinnprinzip operieren, sondern den Zweck verfolgen, einen Bedarf zu decken und damit dem Bedarfsdeckungsprinzip und dem Kostendeckungsprinzip folgen. Dabei gibt es unterschiedliche Auslegungen und Bestimmungen des Kostendeckungsprinzips. Während Ritschl (ebd.) Gemeinwirtschaftlichkeit mit einem Gewinnverzicht verknüpft, versteht Thiemeyer unter Gemeinwirtschaft jene Unternehmen, die unmittelbar dazu bestimmt sind, «öffentlichen Aufgaben [zu] dienen» (1970: 75) und «auf die optimale Deckung des Bedarfs» (1970: 25) abzielen, anstatt primär die Gewinnerzielung im Fokus zu haben. Im Gegensatz zu Ritschl wird hier nicht von einem Gewinnverzicht ausgegangen, sondern die Gewinnverwendung in den Vordergrund gerückt. Darüber hinaus gibt es auch gemeinwirtschaftliche Unternehmen, die nach dem Gewinnprinzip, also erwerbswirtschaftlich, geführt werden (Krätke Citation1987: 177).Footnote9

Auch der dritte Aspekt, der Inhalt gemeinnütziger Wirtschaftstätigkeit, wird nicht eindeutig bestimmt. Krätke (Citation1987: 177f.) betont, dass der Inhalt von «konkurrierenden Gemeinwohldefinitionen geprägt wird» und «in konkreten Zielvorhaben» und «Verhaltensregeln» gefasst werden muss. Auch Thiemeyer (Citation1970) verweist darauf, dass sich Zielbestimmungen in Gruppenauseinandersetzungen vollziehen und nicht abschliessend definiert, sondern stetig neu ausgehandelt werden. Diese inhaltliche Ausgestaltung vollzieht sich zum einen in der rechtsförmigen Institutionalisierung der Gemeinnützigkeit, ist aber zum anderen auch durch Unternehmensphilosophien und -kulturen geprägt. Hesselbach (Citation1972) betont in diesem Zusammenhang, dass trotz erwerbswirtschaftlicher Rechts- und Organisationsformen gemeinwirtschaftliche Verhaltensweisen beibehalten werden, weshalb historisch gewachsene Unternehmenspraktiken die Gemeinnützigkeit inhaltlich massgeblich mitbestimmen.

Der Beitrag greift auf diese Differenzierung von Funktion, Form und Inhalt zurück, um zentrale Elemente der Auseinandersetzungen aber auch Spannungslinien und Widersprüchlichkeiten in der Aushandlung von Leistbarkeit innerhalb der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft identifizieren und in ihrer Relationalität analysieren zu können. Dabei definieren wir zunächst die Versorgung mit leistbarem (und qualitätsvollem) Wohnraum als zentrale Funktion der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft. Die Form der Wirtschaftsführung ergibt sich sowohl aus dem regulativen Rahmen des WGG, insbesondere über die Definition des Kostendeckungsprinzips, als auch aus der Unternehmensführung der Bauträger, welche diese Prinzipien in ihrer Baupraxis konkretisieren, und in weiterer Folge die Art der Bereitstellung von leistbarem Wohnraum beeinflussen. Der Inhalt der Bautätigkeit, und damit die Umsetzung der Versorgungsfunktion, wird in politischen Zielvorgaben ebenso bestimmt wie in den Deutungen und Praktiken der Bauträger. Im Folgenden wird der methodische Zugang dargestellt und anschliessend im empirischen Teil die Aushandlungen über Leistbarkeit entlang dieser drei Dimensionen skizziert.

4. Methodischer Zugang

Empirisch stützt sich der vorliegende Beitrag auf leitfadengestützte Interviews, die mit Personen der Geschäftsleitung bzw. des Vorstandes oder Verantwortlichen für Projektentwicklung von gemeinnützigen Bauträgern zwischen 2020 und 2021 durchgeführt wurden.Footnote10 Von den insgesamt 60 in Wien registrierten gemeinnützigen Bauträgern wurden alle, die eine eigenständige Verwaltung aufweisen, kontaktiert und letztlich 15 für ein Interview gewonnen (B1 bis B15).Footnote11 Fünf dieser Bauträger sind Genossenschaften, sieben sind in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und drei als Aktiengesellschaft (AG) organisiert. Damit ermöglicht das Sample die Berücksichtigung der Sichtweisen, Deutungen und Praktiken sehr unterschiedlicher Bauträger und erlaubt einen differenzierten Einblick in die Wiener Gemeinnützigkeit.

Die Gespräche kamen mehrheitlich durch Anfragen per E-Mail oder Telefon zustande, in manchen Fällen wurden wir von Gesprächspartner:innen an Kolleg:innen in anderen Unternehmen vermittelt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie fanden die Interviews fast ausschliesslich online statt. Die Gespräche wurden aufgezeichnet und anschliessend transkribiert und dauerten zwischen 45 Minuten und zwei Stunden. Für die Auswertung wurden die Namen und Organisationszugehörigkeiten anonymisiert. Die Themen der Interviews umfassten das Feld des gemeinnützigen Wohnungsmarktes, Ansprüche an die Herstellung und das Anbieten von gemeinnützigem Wohnraum, Unternehmensstruktur der Bauträger und den Ablauf der Bauträgerwettbewerbe. Dabei interessierten uns vor allem: Deutungen über die Aufgaben und Zwecke der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, Deutungen über die Nutzer:innen und Wohnqualität, Umgangsweisen mit institutionellen Rahmenbedingungen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft sowie Praktiken hinsichtlich der Errichtung von leistbarem Wohnraum.

Bei der Auswertung orientierten wir uns an Vorschlägen von Michael Meuser und Ulrike Nagel zu Expert:innen-Interviews (1991). Im Vordergrund stand nicht die Herausarbeitung der Logik eines Einzelfalls, sondern es wurde auf der Grundlage von thematischen Vergleichen auf geteilte – aber auch divergierende – Deutungsstrukturen, Wissensbestände, Werthaltungen und Unternehmenspraktiken abgezielt (ebd.: 452). Bei der Interpretation des Interviewmaterials wurde sowohl der innerorganisatorischen Funktion der Befragten als auch dem Verhältnis zwischen den Organisationen im Sinne einer Marktpositionierung (Altreiter, Litschauer Citation2022) besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Analyse des Materials wurde mit objektivierten Daten zur gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (z.B. Unternehmensgrösse, Bauaktivität, rechtlicher Status, Eigentümerstruktur) kontextualisiert. Die für die Frage der Aushandlung von Leistbarkeit relevanten Themen wurden sowohl induktiv als auch deduktiv entwickelt. Einerseits diente uns bestehendes Wissen über die Gemeinnützigkeit als erster Orientierungsrahmen für bedeutsame Themen, andererseits wurden diese im Laufe der Interpretation des Materials noch erweitert. Die Kontextualisierung des rekonstruierten Expert:innenwissens mit Theorien der Gemeinnützigkeit erlaubt schliesslich eine theoretische Generalisierung (Meuser, Nagel Citation1991: 463) der Deutungen und Praktiken.

5. Leistbarer Wohnraum: Umkämpftes Handlungsfeld der Gemeinnützigkeit

Um unterschiedliche Deutungen und Praktiken betreffend Leistbarkeit herauszuarbeiten, werden im Folgenden sowohl die Aushandlung bezüglich der Funktion, der Form und des Inhalts gemeinnütziger Wohnungswirtschaft analysiert. Zunächst wird dargelegt, inwiefern Leistbarkeit als Funktion gemeinnütziger Tätigkeit gedeutet und begründet wird und auf welche Weise die befragten Bauträger leistbaren Wohnraum bestimmen und definieren (Kapitel 5.1). Im Anschluss wird die Form der gemeinnützigen Wirtschaftsführung in den Blick genommen und die Ambivalenz des Kostendeckungsprinzips dargelegt (Kapitel 5.2). Der letzte Abschnitt widmet sich den konkreten Baupraktiken und Strategien gemeinnütziger Bauträger als Inhalt gemeinnütziger Tätigkeit (Kapitel 5.3).

5.1 Leistbarer Wohnraum als Funktion der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft

Wenngleich Leistbarkeit rechtlich nicht explizit bestimmt ist, sondern lediglich «ein angemessenes Entgelt (Preis) […] zur Deckung der Kosten» (§13 Abs. 1 WGG) definiert wird, und Tätigkeiten gemeinnütziger Bauträger sehr vage «auf die Erfüllung dem Gemeinwohl dienender Aufgaben» (§1 Abs. 2 WGG) beschränkt werden, zeigt sich im Forschungsmaterial, dass die Versorgung mit leistbarem Wohnraum als von allen geteilte, grundlegende Aufgabe der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft gesehen wird. Die Herstellung von Leistbarkeit wird somit als zentrale Funktion der Gemeinnützigen verstanden: «Das heißt, dieses Thema leistbar, wirtschaftlich, über das braucht man nicht noch einmal diskutieren in unserer Branche. Das ist sowieso immer unsere Hauptaufgabe» (B5), oder anders ausgedrückt: «die Aufgabe des Gemeinnützigen ist es eben leistbaren Wohnraum zu schaffen» (B15). Dabei unterscheiden sich allerdings die verwendeten Begriffe: Während mehrheitlich «leistbarer Wohnraum» (B2, B4, B11, B14, B15) benannt wird, sprechen manche von «günstigem Wohnraum» (B3, B5, B9), «günstigen Preisen» (B8) oder davon «kostengünstigen Wohnbau zu produzieren» (B12). Diese Begriffsvielfalt macht deutlich, dass der vermeintlichen Einigkeit betreffend der Funktion unterschiedliche Deutungen, Schwerpunktsetzungen und Ziele zugrunde liegen.

Zunächst unterscheiden sich Bauträger dahingehend, woraus ihre FunktionFootnote12 begründet wird. Einerseits finden wir im Material eine extrinsische Verortung, welche die Funktion durch gesetzliche Rahmenbedingungen bestimmt sieht. B9 verweist darauf, dass sie «per Definition verpflichtet [sind], günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen», B12 beschreibt dies als «politischen Auftrag […] kostengünstigen Wohnbau zu produzieren», B5 erklärt es so: «wenn ich nach Strich und Faden des Gesetzes agieren will, muss ich günstigen Wohnraum […] herstellen». Andererseits rekurriert eine intrinsische Verortung der gemeinnützigen Funktion auf eine «soziale» Unternehmenskultur bzw. unternehmerisches Selbstverständnis. So wird die «soziale Ausrichtung» (B1) des Unternehmens betont, der «soziale Auftrag des leistbaren Wohnbaus» (B4) aus der Geschichte des Unternehmens abgeleitet oder auf die Eigentümerstruktur hingewiesen, die einen «sozialen Punkte-Plan» (B5) verfolgt. Diese Verortungen schliessen sich dabei nicht wechselseitig aus, sondern deuten vielmehr an, dass sowohl die rechtsförmige Institutionalisierung als auch Unternehmensphilosophien die Gemeinnützigkeit formen.

Auch wenn die Funktion, leistbaren Wohnraum bereitzustellen, unterschiedlich begründet wird, wird sie von allen als zentrale Versorgungsaufgabe wahrgenommen. Die Bedeutung und Relevanz dieser Versorgungsfunktion werden dabei auf unterschiedlichen Ebenen verortet, was wiederum die konkrete Bestimmung von Leistbarkeit prägt. Zunächst wird die Versorgungsfunktion als subjektive Bedürfnisbefriedigung und damit als individuelle Bereitstellung von leistbarem und qualitätsvollem Wohnbau gedeutet. In dieser Perspektive geht es darum «für die Menschen niedrige Preise zu erzeugen» (B7_2) und gute Angebote zu schaffen. Speziell kleinere und genossenschaftlich organisierte gemeinnützige Bauträger verorten ihre Verantwortung auf dieser individuellen Versorgungsebene (B9, B13). Zweitens wird die Versorgungsfunktion auf einer wohnwirtschaftlichen Ebene verortet, wenn auf die Bedeutung der Gemeinnützigkeit im Verhältnis zum gesamten Wohnungsmarkt Bezug genommen wird. Die Bedeutung der Gemeinnützigkeit wird darin gesehen, den «Wohnungsmarkt beeinflussen» (B2) zu können, eine «preisdämpfende Wirkung am Markt» (B8) zu haben, und so als «gewichtiges Regulativ für den Wohnungsmarkt» (B9) wirken zu können. Ein Bauträger erklärt, er wolle, «dass das Wohnen als Grundbedürfnis wahrgenommen wird und nicht als Luxus oder als vermögensbildend» (B14). Die Versorgung mit leistbarem Wohnraum dient also nicht nur der individuellen Bedürfnisbefriedigung der Nutzer:innen, sondern zielt, über die Betonung und Absicherung der Versorgung gegenüber der Verwertung, auch auf die Deutung des Gutes Wohnen. Drittens wird die Versorgungsfunktion auf eine gesamtgesellschaftliche Ebene bezogen, wenn auf die über Wohnversorgung hinausreichende Funktion der wohnungswirtschaftlichen Tätigkeit für eine Gesellschaft hingewiesen wird. So wird «die Aufgabe des Gemeinnützigen» dahingehend aufgefasst, «leistbaren Wohnraum zu schaffen und damit auch für soziale Stabilität einzutreten» (B15). Weiters wird es als «im gesamtwirtschaftlichen Interesse» gesehen, eine «gewisse Grundversorgung in der Bevölkerung» sicherzustellen, um einen Beitrag zum «Wohlstand im Land zu leisten» (B7_2) und so zum «sozialen Frieden in Wien» (B10) beizutragen. Über diese drei Ebenen wird der Doppelcharakter von Wohnen als Sozial- und Wirtschaftsgut anerkannt, und der weitreichenden Bedeutung des Wohnens im Leben jeder Person, sowie in der Gesellschaft im allgemeinen, Rechnung getragen.

5.1.1 Die ambivalente Bestimmung von Leistbarkeit

Gerade weil marktliche und gesellschaftliche Entwicklungen innerhalb der Gemeinnützigkeit reflektiert und berücksichtigt werden, wird die Aufgabe der Versorgung mit leistbarem Wohnraum nie abschliessend definiert, sondern ihre inhaltliche Bestimmung stetig neu verhandelt. Im erhobenen Material zeigen sich zwei allgemeine Bestimmungsformen von Leistbarkeit.

Ein Teil der Bauträger definiert Leistbarkeit (oft implizit) über eine bestimmte, also konkrete Höhe von Errichtungs- oder Wohnkosten. Entsprechend wird leistbarer Wohnraum von der Bewohner:innenseite her über die Höhe von Wohnkosten, oder von der Produktionsseite kommend indirekt über die Herstellungskosten bestimmt. In der ersten Sichtweise sind «die Mieterkosten […] entscheidend» (B11), und es geht darum, «am kostengünstigsten die Nutzerkosten anbieten» (B12) zu können, damit «am Tag der Übergabe die Miete stimmt» (B5). Eine Ambivalenz, was als leistbar gilt, bleibt insbesondere im Neubau, denn selten wird die Höhe explizit definiert. Es wird festgehalten, «11 Euro können sich viele nicht leisten» (B7_2) oder aber 12 Euro als günstig gedeutet (B15). In der zweiten Sicht, von der Produktionsseite kommend, wird Leistbarkeit als Frage der Errichtung, und damit im Verhältnis zu unterschiedlichen möglichen Wohnqualitäten gedeutet. Entsprechend wird ein «Kostenbewusstsein, vor allem hinsichtlich der Leistbarkeit» (B2) eingefordert, damit «Gebäude auch leistbar bleiben» (B3). Ein Bauträger beschreibt diesen Umgang so: «dann schauen wir, was wir im Rahmen dieser Leistbarkeit als Produkt oder an Qualitäten anbieten können» (B2).

Neben diesen Formen der konkreten Bestimmung kann auch ein relatives Verständnis von Leistbarkeit identifiziert werden, in welchem Wohnkosten entweder im Verhältnis zum Einkommen der Bewohner:innen oder relativ zum privaten Markt als leistbar bestimmt werden. So erklärt ein Bauträger, «wir haben kein Problem mit leistbarer Miete. Wir haben ein Problem mit nicht steigenden Reallöhnen» (B5), und bestimmt Leistbarkeit damit nicht konkret über bestimmte Wohnkosten, sondern im Verhältnis zur Einkommenssituation der Bewohner:innen. Entsprechend wird es als Ziel gesehen, dass Wohnungen «auch leistbar für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen» (B14) sind. Denn «es gibt Leute, die halt nur acht Euro zahlen können, und die kriegen auch eine Wohnung bei uns» (B10). Neben dieser Perspektive auf die Nachfrage, wird Leistbarkeit auch in Relation bzw. Abgrenzung zum privaten Markt bestimmt: «wir werden immer noch günstiger [vermieten] als jeder private Wohnbauträger» (B3).

Sowohl in der konkreten als auch in der relativen Bestimmung von Leistbarkeit findet sich der Doppelcharakter des Wohnens wieder, wenn einmal auf die wirtschaftliche Herstellung bzw. den privatwirtschaftlichen Markt, und einmal auf die soziale Zusammensetzung der Nutzer:innen rekurriert wird. Wenngleich die Versorgung mit leistbarem Wohnraum als Funktion der Gemeinnützigkeit von allen interviewten Bauträgern geteilt wird, fällt die inhaltliche Bestimmung von Leistbarkeit sehr unterschiedlich aus. Dabei wird Leistbarkeit zum einen aus bauwirtschaftlicher Sicht mit Fragen des Wohnbaus, der Herstellungskosten und der Wohnqualität in Verbindung gebracht. Zum anderen implizieren soziale und gesellschaftspolitische Ansprüche eine Auseinandersetzung mit der Frage nach Bewohner:innen bzw. Nutzer:innen, ihren finanziellen Möglichkeiten und Wohnbedürfnissen im Kontext von Leistbarkeit.

5.1.2 Die Adressat:innen von Leistbarkeit

Es stellt sich sodann die Frage, für wen diese Versorgungsfunktion übernommen wird, wer also als Zielgruppe des gemeinnützigen Wohnbaus definiert wird. Vielfach wird ein universeller Anspruch vertreten und das Ziel dahingehend definiert «leistbaren Wohnraum für alle» (B14) bereitzustellen. Entsprechend soll «Schichten wohnen ermöglicht» werden «die sonst niemals zu Wohnraum dieser Qualität gekommen wären» (B9). Die Versorgungsfunktion wird «in der Mitte der Gesellschaft» (B8) verortet und umfasst in der «Realität […] achtzig Prozent der Bevölkerung» (B11). Gleichzeitig zeigt die Analyse der Interviews, dass in der Praxis die Versorgung durchaus klassenspezifisch selektiv ist und zwar in der Weise, dass vor allem die «Mittelschicht» (B11), die «Menschen mit durchschnittlichen Einkommen» (B14) angesprochen wird. Dabei erfolgt eine Abgrenzung sowohl zum gesellschaftlichen Oben, also der Gruppe der «Hochverdiener» (B12) bzw. von der «Oberschicht» (B5), als auch zu Menschen mit «niedrigem Einkommen» bzw. den «Ärmsten der Armen» (B14). So meint B14, «unser Wohnungsangebot […] ist auch leistbar für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen, aber Menschen mit niedrigem Einkommen […] sind mit Kosten konfrontiert, die sie mit ihrem Einkommen nicht ohne weiteres bestreiten können.» Hierbei werden mit Referenz auf das Einkommen die «ganz andere[n] Bewohnerstrukturen» des gemeinnützigen Wohnbaus thematisiert, und als «gute Ergänzung zum Gemeindebau» (B11) gedeutet. Diese «Mittelstandssituation» (B8) wird dabei mit Verweis auf die gesetzlich festgelegten Einkommensgrenzen im Kontext der extrinsischen Verortung der Funktion als legitime Erfüllung der Versorgungsfunktion gedeutet. Nur von wenigen wird dies auch kritisch betrachtet und als nur begrenzt mit der intrinsisch verorteten sozialen Unternehmenskultur vereinbar gedeutet.

5.1.3 Das Verhältnis von Wohnqualität und Leistbarkeit

In ähnlicher Weise divergieren die Auffassungen bezüglich des Verhältnisses von Leistbarkeit und Wohnqualität. Diese zwei Elemente werden sowohl als parallele Ziele des gemeinnützigen Wohnbaus (B3, B9, B11, B8, B1) als auch als in Konflikt stehende Grössen (B12, B8, B1) gedeutet. So wird einerseits kein Widerspruch in hoher architektonischer Qualität und Leistbarkeit gesehen und betont, dass es möglich sei, «hohe Wohnwertigkeit sicherzustellen und trotzdem nicht mehr Geld zu verbrauchen» (B8), und der Anspruch verfolgt «auf Dauer günstigen Wohnraum […] mit sehr ho-her Qualität» (B3) bereitzustellen. Andererseits wird Leistbarkeit als unvereinbar mit bestimmten geforderten und angestrebten Qualitäten wahrgenommen: «Es sind verschiedene Qualitäten und nicht jedes Projekt kann alles» (B2). Ein Bauträger führt aus: «die Wohnungen, die wir herstellen, sind natürlich nicht billig, sie können auch nicht billig sein, weil sie auch eine Qualität widerspiegeln» (B14). In dieser Perspektive werden Leistbarkeit und Wohnqualität als teilweise unvereinbar begriffen und Wohnbedürfnisse zur Disposition gestellt. Während ersterer Zugang eine Vereinbarkeit der sozialen Verantwortung und der wirtschaftlichen Bereitstellung unterstellt, wird in zweiterer Perspektive betreffend der Versorgung mit leistbarem Wohnraum ein Widerspruch zwischen Sozial- und Wirtschaftsgut ausgemacht. Entsprechend divergieren die Bestimmungen der Versorgungsfunktion.

5.1.4 Die Bestimmung der Versorgungsfunktion

Diese Ausführungen zu Verständnissen von Leistbarkeit, Adressat:innen des gemeinnützigen Wohnbaus sowie dem Verhältnis von Leistbarkeit und Wohnqualität machen deutlich, dass die Versorgungsfunktion durchaus heterogen bestimmt wird. Unterschiedliche Definitionen von Leistbarkeit, welche wiederum auf divergierenden Auffassungen betreffend des Verhältnisses und der Vereinbarkeit von Leistbarkeit und Wohnqualität sowie auf unterschiedlichen Zielgruppenbestimmungen basieren, prägen diese divergierenden Auffassungen. Entsprechend findet die Aushandlung konkreter Zielvorgaben und möglicher Mittel zur Bereitstellung von leistbarem Wohnraum entlang der Aspekte von Wohnqualität, Wohnbedürfnissen und finanziellen Mitteln der Nutzer:innen, und Herstellungskosten statt. Kosten und Bedürfnisse werden dabei sowohl auf Ebene der wirtschaftlichen Bereitstellung über die Frage der Wohnqualität, als auch auf Ebene der sozialen Verantwortung über Fragen der Zielgruppe verhandelt. Folglich wird das Gemeinwohl unterschiedlich definiert, und damit die Funktion des gemeinnützigen Wohnbaus innerhalb dieses Spannungsverhältnisses stetig neu, und durchaus konflikthaft, bestimmt. Diese unterschiedlichen Deutungen zu Leistbarkeit, Nutzer:innen und Wohnqualität materialisieren sich letztlich in konkreten Strategien und Praktiken der Bauträger zur Bereitstellung und Absicherung von leistbarem Wohnraum.

5.2 Die Form gemeinnütziger Wirtschaftsführung: Das Kostendeckungsprinzip als ambivalenter Garant für leistbaren Wohnraum

Entsprechend der Verortung des Zwecks wirtschaftlicher Tätigkeit als (heterogen bestimmte) Versorgungsfunktion, orientiert sich die Form der Wirtschaftsführung am Kostendeckungsprinzip. Dabei zeigen sich allerdings unterschiedliche Auslegungen und Bestimmungen.

Wenngleich die Abgrenzung von profitorientierter Verwertung von allen betont wird, so wird das Prinzip der Kostendeckung als zentrales Element der gemeinnützigen Wirtschaftsführung und Vorgabe des WGG dennoch sehr unterschiedlich gedeutet und in die unternehmerische Praxis überführt. Auf der einen Seite gibt es Bauträger, welche das Kostendeckungsprinzip als zentrale Stütze und wichtiges Regulativ bewerten, über welches Leistbarkeit hergestellt wird. Auf der anderen Seite stehen Bauträger, die das Kostendeckungsprinzip als Einschränkung von Gewinnchancen betrachten, die der Errichtung von leistbarem Wohnraum zugeführt werden könnten. Das Prinzip der Gewinnbeschränkung steht dabei dem Prinzip der Gewinnverwendung gegenüber (siehe Punkt 5.1).

In der ersten Position wird das Kostendeckungsprinzip als zentrales Instrument zur Herstellung von Leistbarkeit verstanden. Über die «kostendeckenden Preise und die langfristige Finanzierung gelingt es uns trotzdem, für die Menschen niedrige Preise zu erzeugen», meint B7_2. Dieses sei aber nicht nur ein gesetzlicher Rahmen, sondern wird auch als Teil der eigenen «Verhaltenskultur» bzw. «unternehmerischen Kultur» beschrieben, wo eben nicht «Gewinnmaximierung» im Vordergrund stünde, sondern Leistbarkeit und langfristige Qualität im Wohnungsbestand (B7_2). Neben der Bedeutung des Kostendeckungsprinzips für die Versorgungsfunktion auf individueller Ebene wird es ausserdem als wichtiges «Regulativ» (B9) für die gesamte wohnwirtschaftliche Ebene interpretiert. Der gemeinnützige Sektor hätte eine «Größenordnung», die «gemeinsam mit dem Gemeindewohnungsbau […] diese Stadt definitiv geformt hat» (B9) und eine preisdämpfende Wirkung auf Marktpreise entfalte. So argumentiert beispielsweise B7_2, dass in den nächsten Jahren nach einer Phase der Expansion gewerblicher Bautätigkeit ein Rückgang erwartet wird, weil die «überschießende Nachfrage» langsam gedeckt sei, «und jetzt kommt eine wichtige Phase, nachdem wir auf kostendeckender Ebene die Preise binden in unserem Sektor, wenn genug Angebote [vorhanden sind], wird sich diese [gemeinnützige, Anm. d.V.] Preishöhe durchsetzen» (B7_2). Die Funktion der Versorgung mit leistbarem Wohnraum soll demnach durch das Prinzip der Beschränkung von Gewinnen erfüllt werden.

Die zweite Position deutet das Kostendeckungsprinzip als benachteiligende Ertragsbeschränkung, wie im Zitat von B5 deutlich wird, «ich habe ein ganz enges Korsett, also als Gemeinnütziger, […], also was ich verdienen kann, und damit ist der Gewinn auch sehr eingeschränkt». Auch wenn die Bedeutung des Kostendeckungsprinzips für den sozialen Wohnbau grundsätzlich nicht in Abrede gestellt wird, wird die damit verbundene Gewinnbeschränkung als Benachteiligung gegenüber gewerblichen Anbietern gedeutet. «Umgekehrt war es aber in der Boomzeit so, dass viele gewerbliche Bauträger sehr viel Geld verdient haben, das wir nicht verdienen konnten» (B8). Im Gegensatz zur ersten Positionierung geht es hier auch darum, Möglichkeiten zu finden, bestehende Marktdynamiken erwerbswirtschaftlich zu nutzen. Zu diesem Zweck wurden von einigen gemeinnützigen Bauträgern gewerbliche Tochterunternehmen gegründet bzw. dafür eingesetzt: «dort haben wir mit diesen gewerblichen Tochterunternehmungen einfach […] den Markt abgeholt, verdient und das Geld kam wieder der gemeinnützigen Mutter zugute, ja und dort wird es aber nicht wieder ausgeschüttet, unseren Eigentümern» (B8). Die Herstellung von leistbarem Wohnraum als Funktion gemeinnütziger Wohnungswirtschaft wird in dieser Logik also über eine Umverteilung von Gewinnen, die am Markt abgeschöpft werden, erzielt. Das Prinzip der Verwendung von Gewinnen wird in unserem Material somit als eine Umverteilung von Gewinnen gedeutet, welche den gemeinnützigen Wohnbau sicherstellen soll. Dadurch kommt es zu einer Stärkung des Prinzips der Gewinnverwendung gegenüber jenem der Gewinnbeschränkung. Wenngleich dieses Verhalten im legistischen Rahmen des WGG durch die Möglichkeit der Gründung von gewerblichen Tochterfirmen angelegt und erlaubt ist, wird es nicht von allen praktiziert. Neben den gesetzlichen Regulativen prägen demnach auch Unternehmensphilosophien und moralische Grundsätze die jeweilige Form der Wirtschaftsführung.

5.3 Der Inhalt gemeinnütziger Tätigkeit: Umkämpfte Baupraktiken zur Bereitstellung von leistbarem Wohnraum in Zeiten der Wohnkrise

Unter den aktuellen Rahmenbedingungen wird die Versorgung mit leistbarem Wohnraum auf unterschiedliche Weise als Herausforderung wahrgenommen. Dabei werden in den Interviews sowohl angebotsseitige als auch nachfrageseitige Gründe angeführt, wenn Leistbarkeit als Problem benannt wird: Die Ursache wird einerseits im Wohnbau selbst verortet und auf zu hohe Grundstückspreise (B1, B3, B5, B9, B11, B13, B15) bzw. steigende Baukosten (B4, B5, B8, B9, B11, B12, B13) zurückgeführt. Andererseits werden nachfrageseitige Aspekte thematisiert, wie eine gestiegene Nachfrage (B3, B7_1, B11, B15) bzw. niedrige Einkommen und Löhne (B5, B9, B15). Leistbarkeit wird von den interviewten gemeinnützigen Bauträgern damit mehrheitlich sowohl als Frage des Wohnungsmarktes als auch der Einkommensverteilung interpretiert. Aktuell entstehen ökonomische Zwänge auf den vorgelagerten Grundstücksund Baumärkten und erfordern eine Anpassung der Baupraxis. Im Folgenden werfen wir einen Blick darauf, wie Deutungen und Praktiken gemeinnütziger Bauträger im Kontext neuer Herausforderungen adaptiert werden und wie entsprechend der Inhalt gemeinnütziger Bautätigkeit angepasst wird.

5.3.1 Die Ausgestaltung der Bedarfsdeckung: Leistbarer Wohnraum zwischen Miete und Eigentum

Die Versorgungsfunktion wird nicht nur auf unterschiedliche Weise ausgelegt, sondern auch auf unterschiedliche Weise umgesetzt. Dies vollzieht sich zunächst grundlegend in der Schaffung von zwei Wohnformen, welche die Frage der Eigentumsverhältnisse in die Bautätigkeit, und damit die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum, einführen. Die Analyse der Interviews offenbart zwei Zugänge, wie Eigentumsverhältnisse mit Leistbarkeit in Zusammenhang gebracht und welche Handlungen daraus abgeleitet werden. Einerseits gibt es die «Mietwohnungsbauer» (B2), welche die Aufgabe leistbaren Wohnraum bereitzustellen vorwiegend in der Errichtung von geförderten Mietwohnungen sehen. «Wir bauen fast nur Mietwohnungen» betont B1 und B3 erklärt beispielsweise, dass in der Praxis zwar unterschiedliche Eigentumsformen errichtet und angeboten werden, das Unternehmen aber eine klare Präferenz hat: « … wir wollen eher leistbares Wohnen, somit eher bei Mietwohnungen bleiben».

Auf der anderen Seite gibt es jene, die sich als «Eigentumsbauer» (B5) begreifen und die Aufgabe der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft dahingehend deuten, für breite Bevölkerungsgruppen Zugang zu leistbarem Eigentum zu schaffen. Aus diesem Selbstverständnis heraus werden zwar auch Mietwohnungen errichtet, aber hierbei die Bedeutung von «Miete-Kauf Modelle[n]» (B5) im geförderten Wohnbau als wichtiges und legitimes Mittel betont. Die im Vergleich zu den «Mietwohnungsbauern» vielfältigen Begründungen dieser Haltung, die in den Gesprächen angeboten werden, legen den Schluss nahe, dass diese Position als rechtfertigungsbedürftig wahrgenommen wird. Die Legitimationsstrategien bedienen sich einer Unterscheidung zwischen «gutem» und «schlechtem» Eigentum. Hierfür wird auf unterschiedliche Ebenen der Versorgungsfunktion der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft (vgl. 5.1) rekurriert. Ziel sei einerseits die individuelle Bereitstellung von leistbarem Eigentum für den Eigengebrauch, wie B5 betont: «Wenn man davon ausgeht, dass Eigentum, wenn es nicht zur Spekulation genutzt wird, sondern zum selber drinnen Wohnen, etwas Gutes oder Vernünftiges ist.» (B5). Neben dieser individuellen Versorgungsfunktion wird Eigentumsbildung auch aufgrund seiner gesellschaftlichen Bedeutung in die Deutungswelt der Gemeinnützigkeit integriert, zum Beispiel als Mittel der Prävention von Altersarmut. Menschen mit Eigentum seien «wesentlich weniger [von] Altersarmut gefährdet» (B15). Vor diesem Hintergrund werden auch staatliche Regulierungen begrüsst, die wiederum das «gute», weil regulierte, Eigentum für den Eigengebrauch, von einer «schlechten», weil nicht regulierten, Immobilienspekulation abgrenzt. Es erfolgt also eine aktive Abgrenzung zu einem vermögensbildenden Umgang mit Wohnraum, es gehe nicht darum, «dass man mit öffentlichen Mitteln Leute reich macht» (B15).

Diese Positionierungen werden aktuell relevant, da im Rahmen von Bauträgerwettbewerben Liegenschaften zunehmend im Baurecht vergeben werden. Für Baurechtsgründe muss kein Kaufpreis bezahlt werden (B9), sondern der Baurechtszins wird monatlich über die Mieten abgerechnet, was insgesamt günstigere Wohnungen ermögliche (B3), Eigentum jedoch faktisch ausschliesst. Für auf Baurechtsgründen errichtete Wohnungen kann keine Kaufoption angeboten werden und Eigentumsbildung wird somit verhindert. Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Selbstverständnisse als «Mietwohnungsbauer» oder «Eigentumsbauer» positionieren sich Bauträger unterschiedlich zur zunehmenden Vergabe von Baurechtsgründen. Für jene, die sich dem geförderten Mietwohnungsbau verschreiben, ist das Baurecht eine Möglichkeit, die Kaufoption zu umgehen. Genutzt wird dies speziell von Bauträgern, die über zu wenig Eigenmittel verfügen, um die Kaufoption über die Art der Finanzierung zu vermeidenFootnote13: «über die Finanzierungsbeiträge die Eigentumsoption ausschliessen. Das können wir nicht. Und daher suchen wir uns halt die Nische Baurecht sehr gerne heraus» (B1). Abgelehnt werden Baurechtsgründe demgegenüber von jenen Bauträgern, die sich für Eigentumsbildung einsetzen. Kritisiert wird von ihnen, dass die zunehmende Baurechtsvergabe dazu führe «dass nur mehr wenig leistbares Eigentum zur Verfügung stehen wird» (B5). Die Präferenz einzelner Bauträger, Grundstücke lieber anzukaufen als im Baurecht zu erhalten, deckt sich allerdings nicht unbedingt mit ihrer tatsächlichen Baupraxis: «da der Baugrund immer knapper wird, sind wir auch froh, wenn wir auch im Baurecht bekommen» (B6).

5.3.2 Die Ausgestaltung der Finanzierung: Geförderter oder freifinanzierter Wohnbau

Die unterschiedlichen Formen gemeinnütziger Wirtschaftsführung, welche das Prinzip der Kostendeckung entweder als Gewinnbeschränkung oder als Gewinnverwendung interpretieren, werden bei einem Inhalt gemeinnütziger Tätigkeit besonders deutlich verhandelt: dem freifinanzierten, also ohne Fördermittel errichteten, Wohnbau. Auf der einen Seite gibt es Bauträger, die leistbaren mit gefördertem Wohnraum gleichsetzen. Aufgrund steigender Grundstückspreise sehen sie sich allerdings dazu gezwungen, freifinanziert zu bauen, obwohl es ihren gemeinnützigen Grundsätzen widerspreche, nicht-geförderte und damit sehr teure Wohnungen zu errichten, wie das Interview mit B13 zeigt: «Nur es ist halt dann auch absurd, wenn ein Gemeinnütziger jetzt hergeht und sagt, der Verkaufspreis ist 6000, 7000 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche, damit er einen geförderten mitfinanziert». Die Entscheidung, ob gefördert oder freifinanziert gebaut wird bzw. wie das Verhältnis ist, wird dabei als reine Kostenkalkulation im Hintergrund beschrieben: «Das heißt, die anteilig freifinanzierten Wohnungen zahlen mit, um die geförderten Wohnungen überhaupt erst möglich zu machen und ob wir dann nur freifinanziert oder nur gefördert bauen, ist schlichtweg abhängig von den Grundkosten» (B12). Speziell für die Umsetzung von SMART-Wohnungen sei eine derartige Quersubventionierung nötig, um sie finanziell überhaupt erst möglich zu machen (B1, B8).

Nicht alle Bauträger teilen jedoch die Einschätzung, dass freifinanzierter Wohnbau ihren gemeinnützigen Grundsätzen widerspreche. Die Gegenposition dazu verweist sowohl auf soziale Argumente, Stichwort soziale Durchmischung: «Das ist sozial nachhaltig und eine sehr gesunde Entwicklung» (B6), als auch auf die Gewinnverwendung und Umverteilung als Form gemeinnütziger Wirtschaftsführung. Die Praktik, über gewerbliche Tochterunternehmen und freifinanzierten Wohnbau Geld zu verdienen, das anschliessend umverteilt wird, beschreiben manche Bauträger als Idealform der Gemeinnützigkeit, denn dadurch «können wir uns dann den sozialen Wohnbau auch wieder leisten» (B8). Die Versorgungsfunktion der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft und die Herstellung von Leistbarkeit wird demnach nicht durch das Prinzip der Gewinnbeschränkung realisiert, sondern durch eine Form der Wirtschaftsführung, die sich an Gewinnverwendung und der Umverteilung dieser Gewinne orientiert. In der konkreten Baupraktik als In-halt gemeinnütziger Tätigkeit zeigt sich dies in der Produktion von freifinanzierten Wohnungen und der Gründung gewerblicher Tochterunternehmen.

5.3.3 Die Ausgestaltung der Errichtung: Umkämpfte Wohnqualität

Der dritte Bereich, in dem konkrete Baupraktiken, und somit der Inhalt gemeinnütziger Bautätigkeit, verhandelt und verändert wird, ist die Errichtung und dabei speziell das Verhältnis von Leistbarkeit und Wohnqualität. Werden diese als in Konflikt stehende Grössen betrachtet, wird insbesondere im Kontext einer immensen Preisdynamik gefordert «Augenmaß [zu] bewahren» und überlegt «ob man wirklich alles in einem Projekt anbietet» (B2). Aus dieser Perspektive sind Leistbarkeit und Wohnqualität nur durch Reduzierung letzterer vereinbar.

Als mögliche Bereiche der Reduktion von Wohnqualitäten werden sowohl Ausstattung und Grösse der Wohnung als auch diverse Zusatzangebote genannt. Einsparungen bei der Ausstattung betreffen etwa die Qualität der Böden oder Fenster: «jetzt musst du irgendwo Abstriche machen, ja. Dann ist halt nicht wie früher, bei uns war das Standard, Parkettboden kommt rein in jede Wohnung, aus. Naja, kommt jetzt ein Laminat rein. Früher war das ganz klar: Holz-Alufenster kommt rein. Jetzt zu unserer Schande, in letzter Zeit haben wir PVC wieder reingebaut» (B10). Um Leistbarkeit über die Reduktion der Wohnungsgrösse herzustellen, setzen manche Bauträger auf kleine Wohnungen mit «kompakten Grundrissen» (B12). Die Wohnungsgrösse wird dabei als variabler Faktor gesehen, durch den Kosten reduziert werden können: «Günstig wohnen heißt nicht pro Quadratmeter günstig bauen, sondern auf einem kleinen kompakten Grundriss, alle Bedürfnisse zu erfüllen. Das heißt, unsere Wohnungen sind relativ klein, relativ kompakt, auch um die Wohnfolgekosten relativ gering zu halten» (B9). Entsprechend wird die Reduzierung der Wohnungsgrösse als eine Möglichkeit interpretiert, um Leistbarkeit und Wohnqualität als parallele Ziele zu verfolgen und die Wohnbedürfnisse der Bewohner:innen weiterhin zu erfüllen. In dieser Deutung wird Leistbarkeit hergestellt ohne Bedürfnisse reduzieren zu müssen, da die konkreten Herstellungs- und Wohnkosten minimiert werden. Dieses technokratische Verständnis, welches das Problem der Leistbarkeit als Kostenproblem über die Reduktion von Wohnqualitäten lösen will, wird wiederum von anderen Bauträgern kritisiert: «aber dass man einfach sagt, wenn sich die Leute die Wohnungen nicht mehr leisten können, dann machen wir sie einfach kleiner, das ist für mich keine adäquate Antwort» (B1), auch B2 meint «man kann nicht alles dann reduzieren.». In dieser Deutung wird ein Widerspruch zwischen Leistbarkeit und Wohnqualität ausgemacht, und kritisiert, dass Wohnbedürfnisse entsprechend den finanziellen Möglichkeiten zur Disposition gestellt werden.

In ähnlicher Weise lassen sich die Positionen zu Massnahmen der Förderung des sozialen Zusammenlebens darstellen, welche im Rahmen von Bauträgerwettbewerben vorgeschrieben werden. In der Tradition des sozialen Wohnbaus wird betont, «nicht nur die Fassade muss schön sein, sondern das Miteinanderleben ist wichtig» (B4), und die «soziale Ausrichtung» (B1) von Projekten hervorgehoben. Ein anderer Bauträger beschreibt: «das Wohnen ist heute nicht mehr eine Wohnschachtel […] da gibt es Allgemeinräume, die auch eine soziale Interaktion […] möglich machen» (B8). Entsprechend zeigt sich im Material «ein klares Bekenntnis, was Gemeinschaftsräume etc. betrifft» (B11), und es wird betont, es sei im Interesse der Bewohner:innen, dass «ein entsprechendes Angebot an Gemeinschaftsräumen vorhanden ist» (B7_1). Auch die Wichtigkeit des Besiedelungsmanagements wird hervorgehoben, welches mittlerweile «Standard geworden» ist und «wirklich etwas bringt» (B5). Zugleich wird kritisiert, dass es «schon zu viel Angebot» gäbe, gefordert wird, es «ein bisschen zurückzuführen auf ein sinnvolles Maß» (B8) und «sie nicht über [zu]bewerten» (B2). Ziel soll «eine gute Mischung sein. Es muss kostengünstig sein, es muss aber auch öffentliche Funktionen im Erdgeschoss beinhalten» (B12). Entsprechend sehen sich manche als «Anbieter von Wohnraum nicht von sonstigen gruppendynamischen Aktivitäten, Freizeitaktivitäten» (B2), kritisieren die hohen Kosten und dass derartige Angebote nur von einer Minderheit genutzt würden, während alle dafür bezahlen müssten. So meint B8, dass die Allgemeinräume oft nur von einer «kleinen Minorität», vor allem «akademisch gebildete Haushalte», «sehr exklusiv bespielt werden», und zwar auf «Kosten aller, die das ja mitzahlen,» aber es gäbe eben viele Menschen, «die das einfach nicht wollen, die müde sind am Abend.» Heterogene Deutungen materialisieren sich somit in unterschiedlichen Baupraktiken und prägen damit nachhaltig den Inhalt gemeinnütziger Tätigkeit.

6. Schlussbetrachtung

Durch ihre spezifische Stellung am Wohnungsmarkt sind die Deutungen und Praktiken gemeinnütziger Wohnbauträger in Wien sowohl von (öffentlichen) wohnpolitischen Zielsetzung, als auch von marktlichen Rahmenbedingungen bestimmt. Auf den ersten Blick besteht innerhalb des Sektors Einigkeit über die Funktion der Gemeinnützigkeit, nämlich die Bevölkerung mit leistbarem und qualitätsvollem Wohnraum zu versorgen. Auf den zweiten Blick erweist sich diese Einigkeit als Aushandlungsfeld heterogener und umkämpfter Deutungen und deren praktischer Umsetzung, die sich sowohl auf die Wahrnehmung der Funktion und die Form der Wirtschaftsführung, als auch auf die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der Baupraxis beziehen. Leistbarkeit wird im Spannungsverhältnis von Herstellungskosten, Wohnqualitäten, Nutzer:innen, und deren (imaginierten) finanziellen Möglichkeiten und (imaginierten) Wohnbedürfnissen bestimmt. Das konkrete Verständnis von Leistbarkeit und die Praktiken der Bereitstellung von leistbarem Wohnraum divergieren dabei erheblich. So zeigt die Analyse der Interviews, dass sich der Doppelcharakter von Wohnen als Sozial- und Wirtschaftsgut auch innerhalb der Gemeinnützigkeit reproduziert. Die Versorgung mit leistbarem Wohnraum dient vorrangig der Bedarfsdeckung und es zeigt sich eine klare Betonung der Versorgung mit Wohnraum gegenüber der Verwertung. Zugleich divergieren die Auffassungen betreffend der rechtlich institutionalisierten Formen der Wirtschaftsführung: Während das Kostendeckungsprinzip und die damit verbundene Gewinnbeschränkung als Grundlage für die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum gesehen wird, sehen andere die Zukunft leistbaren Wohnraums darin, Gewinnmöglichkeiten auf dem Markt zu nutzen und gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. So wird teilweise mit profitorientierten gewerblichen Bauträgern kooperiert, oder mit gewerblichen Töchtern Gewinn lukriert. Entsprechend unterscheidet sich auch die Ausgestaltung und Umsetzung der Baupraxis. Funktion, Form und Inhalt der Gemeinnützigkeit werden also in wechselseitiger Abhängigkeit bestimmt bzw. verhandelt.

Die Bereitstellung von gemeinnützigem Wohnraum ist sowohl von einer sozialen Verantwortung gegenüber den Menschen, dem Wohnungsmarkt und der Gesellschaft geprägt, als auch durch wirtschaftliche Rahmenbedingungen und bauwirtschaftliche Praktiken beeinflusst. Im Kontext eines gestiegenen Bedarfs und erschwerter Bedingungen zur Herstellung von leistbarem Wohnraum wird die Bedeutung und Ausgestaltung der Gemeinnützigkeit bzw. der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft neu verhandelt. Insbesondere die Preissteigerungen auf den vorgelagerten Bau- und Grundstücksmärkten bringen Positionierungen als auch Handlungsmöglichkeiten gemeinnütziger Bauträger zunehmend unter Druck. Der Widerspruch zwischen einer Versorgung der Menschen mit leistbarem Wohnraum und der Notwendigkeit einer kostensparenden Produktion und Verwaltung tritt dabei in verschärfter Weise zutage. Dies spiegelt sich auch in den Deutungen, Strategien und Praktiken der Bauträger wider. Leistbarkeit und Wohnqualität werden zunehmend als in Konflikt stehende Grössen interpretiert, entsprechend stehen Qualitätsansprüche im sozialen Wohnbau zur Disposition. Auch wenn die Bedeutung des Bauträgerwettbewerbs als Instanz zur Sicherung der Qualität im gemeinnützigen Wohnbau unbestritten ist, werden die Qualitätsanforderung zunehmend kritisiert und Strategien der Qualitätsreduktion zur Sicherstellung von Leistbarkeit dominanter. Universelle Bestimmungen der Zielgruppe werden im Kontext einer anhaltenden Investitionsdynamik, steigender Preise und sinkender Einkommen unerreichbar. Umgekehrt macht die Kritik an derartigen Entwicklungen deutlich, dass sich bestehende Spannungslinien innerhalb der Gemeinnützigkeit im Kontext eines anwachsenden ökonomischen Drucks verschärfen.

Preissteigerungen auf den vorgelagerten Märkten und damit einhergehende ökonomische Zwänge führen zu einer Stärkung der Wahrnehmung von Wohnen als Wirtschaftsgut. Zielvorgaben und Verhaltensregeln werden entsprechend ökonomischer Möglichkeiten und Grenzen angepasst. In der Bestimmung der Versorgungsfunktion zeigt sich ein zunehmender Fokus auf Herstellungskosten und den privaten Markt. Die Gründung gewerblicher Tochterunternehmen sowie die zunehmende Errichtung von freifinanzierten Wohnungen zeigen, dass sich dies auch in der Form der Wirtschaftsführung und dem Inhalt der Bautätigkeit niederschlägt. In Ermangelung an förderbaren Grundstücken wird vermehrt freifinanziert gebaut, um die Bauleistung aufrechterhalten und damit die Versorgungsfunktion erfüllen zu können. Erzielte Gewinne im gewerblichen/freifinanzierten Bereich dienen der Quersubventionierung des leistbaren Wohnraums. Diese Strategien der Gewinnverwendung zum gemeinnützigen Zweck werden von einzelnen Bauträgern als idealer Weg dargestellt, um die gemeinnützige Wohnungswirtschaft abzusichern und zu stärken. Aber auch viele jener Bauträger, die vorrangig geförderte Mietwohnungen errichten, sehen sich gezwungen, freifinanzierte Wohnungen zu bauen; sie deuten dies allerdings im Widerspruch zu ihren gemeinnützigen Grundprinzipien und verfolgen derartige erwerbswirtschaftliche Strategien nur widerwillig. Durch die Anpassung der Baupraxis werden dennoch langfristige Realitäten geschaffen, die Einfluss auf das Selbstverständnis der gemeinnützigen Bauträger haben und die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum, sowie die Ausgestaltung der Gemeinnützigkeit nachhaltig prägen.

Diese Verschiebung von einer gemeinsam getragenen Gewinnbeschränkung hin zu einer wachsenden Bedeutung der Gewinnverwendung deutet eine Stärkung erwerbswirtschaftlicher, also auf Gewinn und Verwertung ausgerichteter Deutungen und Praktiken an. Zwar ist das erwerbswirtschaftliche Prinzip immer schon Bestandteil der Bandbreite des gemeinnützigen Verständnisses gewesen und wurde auch durch verschiedene Novellierungen des WGG ermöglicht. Allerdings erfährt dieses unter den aktuellen Bedingungen eine deutliche Verstärkung, indem es zunehmend nicht nur Bestandteil ist, sondern als zentrale Voraussetzung für die Errichtung von leistbarem Wohnraum interpretiert wird. Unter den derzeitigen Marktbedingungen scheinen erwerbswirtschaftliche Praktiken als die einzige Möglichkeit, weiterhin gemeinnützigem Wohnungsneubau nachzugehen und damit leistbare Wohnungen mit dauerhafter Sozialbindung zu schaffen. Diese Quersubventionierung über freifinanzierten Wohnbau ermöglicht es unter aktuellen Bedingungen zwar, die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum zu stützen, allerdings wird damit das Ursprungsproblem steigender Preise auf den vorgelagerten (liberalisierten) Grundstücks- und Baumärkten nicht gelöst.

Zugleich macht die Wahrnehmung der eigenen Rolle als Wohnversorger der Menschen, und als Ergänzung zum privaten Wohnungsmarkt, sowie die aktive Abgrenzung von spekulativen Praktiken innerhalb der Gemeinnützigkeit deutlich, dass gemeinwirtschaftliche Prinzipien des Handelns nach wie vor eine einigende Wirkung erzielen. Letztlich bedarf es der Veränderung bestehender Rahmenbedingungen und einer politischen Bearbeitung der Probleme auf den vorgelagerten Märkten, etwa durch eine aktive Bodenpolitik, um die Rahmenbedingungen der Aushandlung der Gemeinnützigkeit zu ändern und Prinzipien der Bedarfs- und Kostendeckung abzusichern. Ebenso können gesellschaftliche Auseinandersetzungen über die Bedeutung und Funktion der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu einer Stärkung gemeinwirtschaftlicher Selbstverständnisse und Praktiken beitragen und die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum abseits erwerbswirtschaftlicher Prinzipien absichern.

Danksagung

Wir möchten unseren Kolleginnen und Kollegen der Forschungsgruppe SPACE (Claudius Gräbner-Radkowitsch, Stephan Pühringer, Ana Rogojanu, Matthias Aistleitner, Susanna Azevedo, Theresa Hager, Laura Porak und Johanna Rath) für wertvolle Kommentare zu früheren Entwürfen des Papiers danken.

Details zur Finanzierung

Die in diesem Artikel vorgestellten Forschungsarbeiten wurden vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) unter dem Förderkennzeichen ZK-60 finanziert. www.fwf.ac.at

Geografische Informationen

Die Daten für diese Studie wurden in Wien, Österreich, erhoben.

Additional information

Notes on contributors

Katharina Litschauer

Katharina Litschauer ist Ökonomin und Politikwissenschafterin am Institut für Wirtschaftsgeographie und Geoinformatik an der WU Wien. Sie forscht zur Bereitstellung von (sozialem) Wohnraum in Wien.

Sarah Kumnig

Sarah Kumnig ist Sozialwissenschafterin am Institut für Soziologie an der Technischen Universität Wien und beschäftigt sich mit Wohnpolitik, Stadtentwicklung und sozialem Wohnbau in Wien.

Raphaela Kohout

Raphaela Kohout ist wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung an der WU Wien und forscht zu Wohnbedürfnissen von Alleinerziehende, sowie zu Wettbewerb in der Vergabe und im Zugang zu Wohnraum.

Georg Wolfmayr

Georg Wolfmayr ist Europäischer Ethnologe/Kulturanthropologe an der WU Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind Stadtanthropologie, Wohnforschung, Wirtschaftsanthropologie, (räumlicher) Wettbewerb, Ethnographie, Kulturalisierungsforschung.

Carina Altreiter

Carina Altreiter ist Soziologin und post-doc researcher am Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung an der WU Wien. In ihren Forschungen beschäftigt sich mit dem sozialen Wandel von Arbeit, sozialer Ungleichheit, sozialem Zusammenhalt und Verwettbewerblichungsprozessen.

Notes

1 Vgl. dazu auch den Aufruf von Wissenschafter:innen für eine soziale Wohnungspolitik (Die Unterzeichnenden Citation2018).

2 Basierend auf öffentlichen Daten in den Prüfberichten der Stadt Wien, zu finden unter https://www.wien.gv.at/wohnen/wohnbaufoerderung/aufsicht/pruefberichte/index.html.

4 Der Liegenschaftsbesitz des «Wohnfonds Wien» umfasste 2021 rund 315 Hektar (davon 19 ha in Baurecht vergeben), während 2021 insgesamt 2 ha durch Verkauf abgegangen sind und 2 ha neu in Baurecht vergeben wurden (Wohnfonds Wien Citation2022: 49).

5 Bauträgerwettbewerbe sind sowohl für Gemeinnützige als auch private Marktteilnehmer offen.

6 Bei den untersten 10% der Einkommen entsprach das inflationsbereinigte Bruttojahreseinkommen 2019 nur 61% von 1998 (Rechnungshof 2020).

7 Die Einkommenshöchstgrenze für den Zugang zu geförderten Mietwohnungen und Gemeindewohnungen beträgt monatlich 3505 Euro netto, Stand 2022. https://wohnberatung-wien.at/footer/einkommenshoechstgrenzen (Zugriff 19.10. 2022)

8 Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile, da sie in unterschiedliche Weise Vergleiche ermöglichen oder erschweren. Beispielsweise bleibt im Ausgabenanteilsansatz die zugrundeliegende Einkommensverteilung unberücksichtigt, da höhere Wohnkosten bei einem höheren Einkommen zum selben Anteil führen wie niedrige Wohnkosten bei niedrigen Einkommen.

9 In Anlehnung an Krätke (Citation1987) wollen wir in jenen Fällen, in denen nach dem Kostendeckungsprinzip gewirtschaftet wird, von Gewinnbeschränkung sprechen.

10 Die Erhebung ist Teil einer grösseren, vom österreichischen Wissenschaftsfonds geförderten Studie zu Wettbewerb in der Produktion und Konsumption von sozialem Wohnraum in Wien (Förderprogramm ZK-60, www.fwf.a).

11 In zwei Fällen (B2, B5) wurde das Interview mit zwei Personen geführt, mit einem Bauträger (B7) wurden zwei Interviews geführt (B7_1 und B7_2).

12 In den Interviews wird meist von «Zweck» gesprochen.

13 Die Kaufoption muss für Wohnungen angeboten werden, für die von den Mieter:innen beim Einzug ein Finanzierungsbeitrag von mehr als 72,07 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche (Stand 1.4. 2019) gezahlt wurde (WGG §15c).

Literatur

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